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Gottes Zorn (German Edition)

Gottes Zorn (German Edition)

Titel: Gottes Zorn (German Edition)
Autoren: Olle Lönnaeus
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wiederum mit einer Schlinge um den Hals eines Männerkörpers befestigt war. Im weißen Schein sah es aus, als schnitte die Schnur tief in die Haut des Toten ein. Das Gesicht schien von einer grotesk blauen Farbe zu sein.
    Auf dem Fußboden lag ein umgekippter Holzstuhl.

Kapitel  2
    D ie Morgendämmerung leuchtete blau. Innerhalb nur weniger Stunden war der Sturm abgeflaut und hatte eine eisige Stille hinterlassen. Es war, als ob die ganze Welt die Luft anhielte aus Angst, ihn zu neuem Leben zu erwecken.
    Joel registrierte den Wetterumschwung in dem Augenblick, als er die Augen aufschlug. Nicht mal im Zustand tiefster Benommenheit hatte er vergessen, wo er sich befand. Durchs Fenster fiel ein arktisches Licht auf den Dielenboden. In seinem Kopf hämmerte es.
    Mühsam kam er in der Ecke des Zimmers auf die Beine, wo er zusammengebrochen war. Er vermied dabei, die Leiche anzusehen, die von der Decke herabbaumelte. Ein Kadaver in einem Kühlhaus. Es knackte in seinen Gelenken. Als er sich aufrichtete, fuhr ihm ein stechender Schmerz ins Kreuz.
    Draußen lag die Landschaft in eine Decke aus grauen und blauen Nuancen gehüllt. Als schwachen roten Streifen ganz im Osten konnte man bereits den Sonnenaufgang erahnen. Im Garten hatte ein Hase Spuren hinterlassen. Doch irgendwelche Fußabdrücke im Schnee von seiner taumelnden Ankunft konnte er nicht erkennen.
    Er hatte die Leiche berührt, daran erinnerte er sich. Voller Grauen war er darauf zugegangen und hatte seine Finger auf eine herabhängende Hand gelegt. Sie war kalt, genau wie er es vermutet hatte.
    So viel wusste Joel über Tote: Man sieht innerhalb eines Augenblicks, ob es bereits zu spät ist.
    Ein Blick reicht aus, um festzustellen, ob die Flamme noch loderte.
    Und was hatte er danach getan?
    Mårten herunterzuschneiden wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Denn irgendwelche Verpflichtungen diesem Mann gegenüber fühlte er nicht. Der Alte musste hängen bleiben, wo er hing. Ein totes Stück Fleisch. Stattdessen war Joel von einer lähmenden Müdigkeit erfasst worden. Und dann wurde alles um ihn herum schwarz. Kohlrabenschwarz.
    Ich muss bewusstlos geworden sein, dachte er.
    Jetzt hatte sich auch die letzte Glut im Kamin zu Asche verwandelt. Joel fror. Er nahm einige Holzscheite aus dem Korb, zerknüllte ein paar Seiten einer vergilbten Zeitung und zündete ein Streichholz an. Eine feuchte Rauchsäule schlängelte sich in Richtung Schornstein hinauf, bis sich tänzelnde Flammen bildeten. Er rieb sich die Hände über der Wärme. Doch plötzlich konnte er sich nicht länger gegen das Gefühl wehren, von irgendjemandem hinter seinem Rücken bedroht zu werden.
    Als er sich umdrehte, sah er, dass der Tote höhnisch grinste.
    Im Dunkel der Nacht war ihm dies entgangen. Doch jetzt war es deutlich zu erkennen. Sein Gesicht war zu einer Grimasse erstarrt. Die Augenlider waren zur Hälfte geschlossen, als zwinkerte er verschmitzt. Die geschwollenen Lippen zu einem Ausdruck verzerrt, den man als Triumph deuten konnte. Oder gaukelten die Schatten ihm etwas vor? Das Licht vom Fenster war immer noch matt, während der Schein des Feuers flackerte.
    Joel schaltete seine Taschenlampe ein und richtete sie auf die Leiche. Eine Sekunde lang hatte er den Eindruck, dass Mårten blinzelte und sein Arm leicht zuckte, als hätte er vor, ihn zu heben, um sich gegen das Licht zu schützen. Doch nichts dergleichen geschah.
    Wer auch immer er gewesen sein mochte, dieser Mann, er war tot.
    Joel betrachtete den Spalt unter seinen weißen Wimpern, die gefurchte Stirn, die schweren Wangen und die ein wenig abstehenden Ohren. Die gewellten Haare, die von seinem Schädel herabhingen, waren dünn und strähnig.
    «Und du sollst also mein Vater gewesen sein?», brummte er, wie um das Wort auszuprobieren.
    Eine Antwort erhielt er nicht.
    «Nie im Leben!», rief er geradewegs in die Luft.
    Der Gefühlsausbruch ließ die Kirchenglocken in seinem Kopf noch lauter dröhnen. Plötzlich begann sich der gesamte Raum zu drehen, erst langsam, dann immer schneller. Joel schaute sich verwirrt um. Er versuchte seinen Blick zu fixieren. Doch der Fußboden und die Wände, alle Möbel und Gegenstände verwandelten sich in einen Strudel, einen rasenden Zyklon, der ihn unweigerlich in Richtung seines Zentrums saugte, in ein abgrundtiefes schwarzes Loch, von dem Joel wusste, dass er darin ertrinken würde. Instinktiv schloss er die Augen, suchte nach dem nächstbesten Halt, wo auch immer, und klammerte sich daran
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