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Gottes Zorn (German Edition)

Gottes Zorn (German Edition)

Titel: Gottes Zorn (German Edition)
Autoren: Olle Lönnaeus
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er den Deckel der Urne abhob, war er überrascht, wie wenig sie beinhaltete. Lediglich ein paar Hände voll grauer Asche. Durchsetzt mit winzigen Knochenstückchen.
    Ein Leben.
    Mehr ist es nicht.
    Ein guter Mensch war Mårten nicht gewesen. Das würde Joel niemand weismachen können, da konnten die drei trauernden Frauen sagen, was sie wollten. Aber vielleicht war er eben auch nicht durch und durch böse gewesen?
    Joel musste an seine Worte im Testament denken.
    Endlich frei.
    Jetzt würden sie wohl beide frei sein, nicht wahr?
    Er wartete ab, bis eine kräftige Windbö kam, und warf die Asche dann, so hoch er konnte, in die Luft, wo sie sofort aufs Meer hinausgeweht wurde und sich auflöste.
    Die Frauen standen andächtig schweigend da.
    Siw Wollgren winkte in Richtung Wasser.
    Rakel bekreuzigte sich.
    Helga stand lediglich mit leerem Blick und feuchten Wangen da, stattlich und stumm.
    Dann machten sie sich eine nach der anderen auf den Weg. Siw gab ihm einen feuchten Kuss auf die Wange und beeilte sich, wieder zum Parkplatz zu kommen. Rakel drückte seine Hand und zwinkerte ihm kurz zu, als wollte sie ihr gemeinsames Geheimnis noch einmal besiegeln. Helga drehte sich um und ging, ohne Abschied zu nehmen, ihres Weges.
    «Wie fühlt es sich an?», fragte Britt, als sie außer Sichtweite waren.
    «Tja, jetzt ist es überstanden.»
    «Ich wollte noch mal vorbeikommen und tschüs sagen …»
    Joel nickte.
    «Ich gehe nämlich nach Norwegen», erklärte sie. «Dort werden Zahnarzthelferinnen händeringend gesucht. Ich habe eine Vertretungsstelle in Bergen bekommen. Gut bezahlt.»
    «Aha», entgegnete Joel erstaunt. «Und Gunnar?»
    Sie lachte auf, und für eine Sekunde meinte Joel, dass der Wind leicht nach Zitrone duftete.
    «Du hattest recht. Er ist ein Idiot. Und außerdem hast du mich ja daran erinnert, wie es ist, es mit einem anderen Mann zu tun.»
    Dann schlang sie die Arme um seinen Hals und küsste ihn heiß und innig.
    Als sie ebenfalls gegangen war, setzte Joel sich neben die leere Urne an der Abbruchkante. Das Gras war feucht. Aber die Sonne wärmte die Wangen leicht. Einige Möwen segelten übers Wasser.
    Es gab noch einiges, worüber er nachdenken musste.
    Mårtens Angst vor dem Tod. Vielleicht ahnte er, dass Erik plante, ihn umzubringen. Aber wie sollte er Helga gegenüber so etwas über ihren geliebten Sohn äußern? Und er hatte ja niemand anderen …
    Mårten wusste, dass der Krebs ihn besiegen würde. Dennoch hatte er Todesangst, dass ihn jemand um seine letzten Tage bringen würde.
    Und Erik, Helgas Riesensohn, der so von Hass durchdrungen war. Er hatte in seinem kranken Hirn alles genau geplant. Die Bilder, die ihn und seine geliebte Mutter reich machen würden, hatte er zu Hause auf dem Dachboden versteckt.
    Er muss in der betreffenden Nacht im Haus gewesen sein, dachte Joel. Hat er gehört, wie Mårten bei mir anrief? Erik war dort, als ich ankam. Und er hat sich davongeschlichen, als ich bewusstlos auf dem Fußboden lag. Wäre ich wieder zu mir gekommen, hätte er mich dann getötet?
    Irgendwelche Spuren im Schnee hatte Erik nicht hinterlassen. Er hat Glück gehabt, hatte die Polizei gemeint. Er hatte ganz einfach verdammtes Glück, dass der Schneesturm alle Spuren verwischte, sowohl als er kam, als auch, als er ging.
    Als die letzten Sonnenstrahlen hinter den Steinblöcken der Schiffssetzung verschwanden, spürte Joel eine Hand an seinem Nacken. Er wusste sofort, wer gekommen war. Warme Finger schoben sich unter den Rollkragen seines Norwegerpullis. Das Leder ihrer Jacke knarrte ein wenig, als Fatima sich neben ihn ins Gras setzte.
    «Mein Vater ist krank. Ich konnte ihn nicht alleinlassen.»
    «Was Ernstes?»
    «Weiß nicht. Er driftet irgendwie immer weiter ab.»
    Joel legte den Arm um sie und zog sie zu sich heran.
    «Und wie lief es?», fragte sie.
    «Gut. Mårten ist jetzt frei wie der Wind.»
    «Heute Nacht habe ich geträumt, dass mein Vater gestorben ist. Einfach so. Es war schrecklich. Ich habe mich absolut einsam gefühlt.»
    «So wie ich?»
    «Hm …»
    Der Himmel färbte sich langsam dunkler. Vereinzelte Wölkchen segelten aufs Meer hinaus. Aber die Nacht würde sternenklar werden.
    «Bill Lundström hat mich angerufen. Die Dänen haben vor, die beiden Männer wegen der Drohungen hinsichtlich der Brücke zu verklagen.»
    «Gab es denn Drohungen?»
    Fatima zuckte unter seinem Arm mit den Achseln.
    «Keine Ahnung.»
    Als hätten sie die Gedanken des anderen gelesen, legten sie sich
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