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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen
Autoren: Peter Ustinov
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erklärte der Sergeant. »Baez, halten Sie den Namen in Lautschrift fest. Nun, in welcher Provinz sind Sie geboren?«
    »Shkipra.«
    »Geburtsdatum?«
    »Shkipra.«
    Der Sergeant explodierte. »Und Ihr Vater, Ihr Beruf, Ihre militärische Einheit – sie heißen wahrscheinlich allesamt Shkipra!«
    »Shkipra.«
    Später am Morgen bremste eine prächtige Limousine vor dem Polizeiposten von San Jorge de Bayona, der drei Offiziere der Guardia entstiegen. Sergeant Cuenca Loyola hatte sie in dringender dienstlicher Sache herbeigerufen. Als sie den weißgekalkten Raum betraten, wo Stille herrschte – bis auf das böse Summen der inhaftierten Fliegen –, sprang der Sergeant auf und bedeutete Shkipra, es ihm gleichzutun. Der arme Shkipra, der die Unmöglichkeit einer Kommunikation allmählich bedrückend empfand, saß einfach da und schwieg geduldig und starrte auf den Boden, als sähe er dort irgendwelche faszinierenden Schauspiele.
    »Schon gut, schon gut«, lächelte Major Gallego y Gallego wohlwollend. Er setzte sich auf eine hölzerne Bank und winkte seine Kollegen zu sich heran. »Nun, Sergeant, wo liegt die Schwierigkeit?« Der Sergeant hob den Kopf. Er kam aber nicht dazu, das Wort zu ergreifen, denn plötzlich war das ganze Dorf vor dem kleinen vergitterten Fenster zusammengeströmt – ganz zu schweigen von Vicente, der in der offenen Tür lehnte, mürrisch und geistesabwesend an einem Ort, wo er nichts zu suchen hatte.
    »Weg da! Weg vom Fenster! Hinaus, hinaus!« brüllte der Sergeant. »Ruhe«, sagte der Major. »Wir wollen doch Haltung bewahren, ich muß sehr bitten. Also, Sergeant, erstatten Sie uns Bericht.«
    Dem Sergeanten war peinlich bewußt, daß er sein Gesicht verloren hatte. Er verfluchte die dienstlichen Vorschriften, die einen Mann manchmal zwangen, höhere Mächte zu Hilfe zu rufen. Er räusperte sich.
    »Diese Person, Señor, hat gestern abend, zwischen dreiundzwanzig und vierundzwanzig Uhr, auf ungesetzliche Art und Weise spanischen Boden betreten.« Der Major lächelte.
    »Hat der Mann sich bei der Polizei gemeldet?« fragte Hauptmann Zuñiga.
    »Hatte er Waren zu verzollen?« fragte Leutnant Quiroga, der Kommandant der örtlichen Zollbehörde. Der Major hob die Hand und bat um Ruhe. »Was verstehen Sie unter ungesetzlicher Art und Weise?« erkundigte er sich. Der Sergeant zögerte.
    »Eine Art und Weise, die nicht mit der üblichen gesetzlichen Art und Weise der Einreise ins Land übereinstimmt«, sagte er.
    »Falls ein Engel vom Himmel plötzlich auf Ihrem Dach landen sollte – würden Sie dies als ungesetzliche Art und Weise der Einreise ins Land bezeichnen?«
    »Nein, Señor.«
    »Warum nicht?«
    Der Sergeant spähte nervös nach dem Priester, der, weil er mit dem ganzen Dorf vor dem geschlossenen Fenster stand, von dem Wortwechsel nichts gehört haben konnte. »Nun ja, Señor. Äh, ich würde dies als ungesetzlich betrachten, falls ich keine diesbezügliche Dienstanweisung erhalten hätte.«
    »Von wem?«
    »Von Ihnen, Señor.« Der Sergeant fuhr sich mit einem Tuch über die Stirn.
    »Warum von mir?«
    »Von Ihnen oder von Pater Ignacio.«
    »Sehr gut.« Der Major grinste.
    »Wären Sie nun bereit, Sergeant, mir den genauen Hergang zu schildern, wie diese Invasion die spanische Grenze verletzte?«
    »Diese Invasion?«
    »Nun, dieser Mann.«
    »Er wurde von den Dorfbewohnern an Land geholt. In einem Boot.«
    »In einem Boot? – Mit anderen Worten, er stand im Begriff, in spanischen Hoheitsgewässern zu ertrinken?« Der Sergeant verabscheute den Ton des Majors, ohne ihn ganz zu verstehen.
    »Er ertrank, jawohl, oder zumindest schwamm er im Wasser.«
    »Auch eine Art, die Kosten alltäglicherer Verkehrsmittel einzusparen. Obwohl es anstrengend sein könnte, wenn man viel Gepäck hat.«
    Der Major wandte sich an Quiroga, den Herrn der Zölle. »Wir dürfen doch mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen, Quiroga, daß dieser Mann bei der Einreise nur sehr wenig zu verzollen hatte. – Wie war er bekleidet, Sergeant?«
    »Mit einer Hose, Señor.«
    »Einer Hose – war das alles?«
    »Nur eine Hose, Señor.«
    »Falls er irgend etwas zu verzollen hatte, Quiroga, dürfte es dasjenige Teil gewesen sein, das jedes Mitglied des männlichen Geschlechts schamhafterweise verbirgt.« Er lachte über seine eigene Frivolität, dann sagte er mit gespielter Besorgnis: »Der Priester kann, hoffe ich, nicht am Fenster lauschen?«
    »Nein, Señor.«
    »Was aber, Sergeant, gab dieser Mann zu Protokoll, nachdem
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