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Gott im Unglück

Gott im Unglück

Titel: Gott im Unglück
Autoren: A. Lee Martinez
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Transvestitenclown. »Sie sollten sich wirklich einen besorgen. Absolute Notwendigkeit. Ich versteh nicht, wie man ohne ein bisschen Hilfe von oben klarkommen kann.«
    Das allein hatte aber noch nicht genügt, Phil zu einer Entscheidung zu bringen.
    Auf der Autofahrt nach Hause hatte er, abgelenkt durch seine Sorgen, einen kleinen Unfall mit Blechschaden gehabt. Der Schaden war nicht groß, nur eine Delle in der Stoßstange und eine hässliche Schramme im Lack. Aber der Wagen des anderen Fahrers hatte keinen einzigen Kratzer abbekommen.
    Der andere Fahrer zog ein eigentümliches Messer heraus und schnitt sich damit in die Handfläche, um das Blut seinem Gott zu opfern, während er intonierte: »Gepriesen sei Marduk, der meine Versicherungsprämien niedrig hält.«
    Phil kam zu Hause an. Als er in die Einfahrt fuhr, war das Erste, was er bemerkte (es war immer das Erste, was er bemerkte), sein Rasen. Er verspottete ihn: ein Symbol seines vielversprechenden Lebens, einst grün und gedeihend, jetzt grünbraun und welk. Er goss und düngte ihn. Hatte sogar einen Spezialisten hinzugezogen. Aber der Rasen starb, und er konnte nichts dagegen tun. Ihn tröstete allein die Tatsache, dass auch sonst keiner in der Nachbarschaft sein Gras zum Wachsen brachte. Da steckte etwas in der Erde, ein alter Fluch, den Coyote auf diesen Flecken Land gelegt hatte: für die Ungerechtigkeiten, die die amerikanischen Ureinwohner von den Europäern zu erleiden gehabt hatten. Die Ureinwohner bekamen die Windpocken und die Vorstädte gelbes Gras. Eine geringe Strafe für den Diebstahl eines Kontinents, musste Phil zugeben. Aber dennoch ärgerlich.
    Nur dass seine Nachbarin Ellen heute einen saftig-grünen Rasen hatte.
    Phil brauchte gar nicht erst zu raten, was passiert war. Die einen Meter zwanzig große Göttinnenstatue aus Marmorimitat sagte ihm alles, was er wissen musste.
    Als Ellens Wagen in ihre Einfahrt fuhr, bemerkte sie Phil, der ihren Rasen beäugte.
    »Ziemlich cool, was?«
    Er unterdrückte einen Schrei. »Ich dachte, Sie hätten schon einen Gott. Diesen sonderbaren. Den mit den Hörnern und den neun Armen.«
    »Oh, klar. Das läuft auch noch ganz gut, aber er ist ein eifersüchtiger alter Ziegenbock«, sagte sie. »Nur leider macht er keinen Rasen. Also habe ich mir einfach einen externen Service geholt. Sie stellen die Statue auf, bringen die Opfergaben dar, und mein Gott wird nicht eifersüchtig und straft mich. So ist es ein Gewinn für alle Beteiligten.« Ellen kniete sich hin und strich auf eine beinah obszöne Art mit der Hand über das Gras. »Dieser Demeter weiß jedenfalls, wie man mit Fingerhirse umgeht, nicht?«
    Und damit war es entschieden gewesen. Am nächsten Tag war Phil online gegangen und hatte sich bei Pantheon.com registriert.
    Zunächst war Teri dagegen gewesen.
    »Du wusstest vor unserer Hochzeit, dass ich keine Götter will«, sagte sie. »Wir haben lange darüber gesprochen.«
    »Ja schon, aber …«
    »Mein Großvater wurde von einem Wüstengott getötet, das weißt du«, sagte sie. »Nur weil er sich die Haare geschnitten hat.«
    »Ja schon, aber …«
    »Am Ende kriegen sie dich immer, Phil. Sie bescheißen dich doch ständig. Das kannst du überall in den Geschichtsbüchern nachlesen.«
    Er nahm sie in die Arme. Sie sträubte sich zwar ein bisschen, am Ende erwiderte sie seine Umarmung aber.
    »Schatz«, sagte sie, »ich weiß, du bist frustriert davon, wie es in letzter Zeit läuft, aber ich glaube nicht, dass du das zu Ende gedacht hast.«
    »Doch«, erwiderte er. »Ich habe viel darüber nachgedacht, und für mich ergibt es einen Sinn.«
    Sie löste sich von ihm. »Wir haben es doch nicht so schlecht, oder?«
    Phil betrachtete sein Haus. Es war sicher nicht groß, aber groß genug. Sie hatten die besten Möbel, die man bei IKEA bekommen konnte; der Fernseher war größer, als es vor zehn Jahren normal gewesen wäre, und sie hatten so viel Schnickschnack und Kunst an den Wänden, dass Teri zufrieden war, das Haus aber nicht zu überladen wirkte. Wobei er auch ohne das Segelbootmotiv ausgekommen wäre. Er hatte es immer merkwürdig gefunden, vor allem angesichts dessen, dass Teri nicht ein einziges Mal übers Segeln gesprochen hatte, seit er sie kannte.
    Sie bezahlten ihre Rechnungen und hatten gar nicht so viele Schulden. Nicht mehr als alle anderen auch. Und er hatte eine Frau, die ihn liebte. Er wusste, das hätte ihm genügen sollen. Es hätte jedem Mann mehr als genügen sollen.
    Doch das tat es
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