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Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Titel: Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen
Autoren: Alfred Bekker
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Zeichen des Unglücks. Und ich sei in diesem Zeichen geboren.«
    »Das ist Priestergeschwätz«, behauptete Nhorich.
    »Er sagt weiter, dass ein solches Zeichen, damit sich sein Einfluss auf die Zukunft verringert, nur durch das Vergießen des eigenen Blutes in seiner Wirkung gemindert oder unwirksam gemacht werden kann.«
    »Das ist Aberglaube!«, fuhr Nhorich ungewohnt heftig auf. Der ehemalige Schwertmeister war normalerweise ein sehr ruhiger Mann. Nie hatte Gorian seinen Vater anders erlebt. Doch diesmal spürte Gorian, wie seine Fragen Nhorich erregten. Mehr, als der Junge geahnt hatte. Allerdings war ihm der Grund dafür noch nicht ganz klar, und er dachte auch gar nicht daran, schon damit aufzuhören. Gorian hatte das Gefühl, ganz nahe davor zu stehen, endlich Aufschluss über eine seine Fragen zu erhalten, die bisher von Rätselhaftigkeit umgeben waren. Auch wenn es schmerzhaft für seinen Vater sein mochte, so meinte Gorian doch, dass dieser Schleier ein für alle Mal zerrissen werden musste.
    Die Blicke von Vater und Sohn begegneten sich. Sehr lange sahen sie sich nur an. Und Nhorich wiederholte, was er schon einmal gesagt hatte, was dadurch aber eher an Überzeugungskraft verlor denn gewann: »Es ist ein Aberglaube aus der Zeit, bevor man den Verborgenen Gott verehrte, und wie so mancher Aberglaube hat sich auch dieser in den unteren Rängen der Priesterschaft wie ein übles Geschwür ausgebreitet, so schlimm, dass man es nicht herausschneiden könnte, selbst wenn dazu der ernsthafte Wille bestünde.«
    »Mag es Aberglaube oder echte Magie sein – hat Mutter für möglich gehalten, dass es so ist? Hat sie geglaubt, dass es stimmt, was Pasoch mir gesagt hat?«
    Nhorich schwieg einen Moment. Dann streckte er die Hand aus, hielt sie in Richtung des Dolchs, den er in den Rachen der hölzernen Dämonenfratze geschleudert hatte, und seine Augen wurden von purer, undurchdringlicher Schwärze erfüllt. Der Dolch begann zu zittern.
    Du willst mich ablenken, dachte Gorian. So wie man ein Kind von einer Wunde ablenkt, damit es den Schmerz nicht mehr so heftig spürt. Aber ich will nicht länger wie ein Kind behandelt werden. Jedenfalls nicht, was diese Sache betrifft.
    Es hieß, dass manche Ordensmeister besonders intensive Gedanken zu lesen vermochten, und nicht zum ersten Mal fragte sich Gorian, ob sein Vater wohl auch seine zu erfassen vermochte, wenn sie besonders stark und drängend waren. Manchmal glaubte er, dass es so war. Manchmal wünscht er es sich sogar, aber bisweilen fürchtete er sich auch davor. Doch in diesem Moment wäre ihm nichts lieber gewesen, als dass sein Vater unmittelbar hätte erfassen können, was ihm durch den Kopf ging und wie wichtig die Frage war, auf die er endlich eine Antwort haben wollte.
    »Ist Mutter gestorben, weil sie geglaubt hat, dadurch das Unheil meines Geburtszeichens von mir nehmen zu können?«, fragte Gorian, und seine Stimme klang viel klarer und deutlicher, als er es von sich selbst erwartet hätte. Er hatte sich selten so stark und so in Übereinstimmung mit sich selbst gefühlt wie in diesem Moment. Diese für ihn so wichtige Frage war endlich ausgesprochen, dabei kannte er die Antwort im Inneren seines Herzens längst.
    Das Zittern des Dolchs wurde noch heftiger, dann löste er sich aus dem Rachen des Holzdämons, sauste durch die Luft, vollführte dabei eine völlig unberechenbare Zickzacklinie und landete punktgenau in der ausgestreckten, geöffneten Hand des ehemaligen Schwertmeisters. Die Zeichen auf der Klinge glühten kurz auf, dann wurden sie dunkelgrün, so wie die Gravuren von Geschirr oder Essbesteck, das lange Zeit in irgendwelchen Truhen gelagert hatte und nicht benutzt worden war.
    Die Schwärze verschwand aus Nhorichs Augen. Er zögerte noch, aber dann schien er einzusehen, dass es sinnlos war, weiter zu schweigen.
    »Ja«, gab er zu. »Kenraai – deine Mutter – hat diesen Unsinn geglaubt. Ich habe sie nicht überzeugen können, dass es nur ein verfluchter Aberglaube ist. Sie ist mit der Barkasse nach Twixlum gefahren und hat den Priester, der damals für den Ort zuständig war, um seine Meinung gefragt. Seine Worte waren wie ein Gift, das nur langsam zu wirken beginnt, und eines Tages – ein Jahr und einen Tag nach deiner Geburt – fand ich sie an dem eifömigen Stein an dem Weg nach Thisia. Dort, wo man in der Zeit vor dem Aufkommen des Glaubens an den Verborgenen Gott Menschen geopfert hat, um die alten Götter zu beeinflussen. Sie hatte
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