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Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Titel: Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen
Autoren: Alfred Bekker
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hatte?«, fragte Gorian.
    »Wer behauptet das?«
    »Stimmt es?«
    »Nein, sie starb genau ein Jahr und einen Tag nach deiner Geburt. Und noch einmal nein: Beide Ereignisse hängen nur insofern zusammen wie alles, was im Polyversum geschieht oder geschehen könnte oder geschehen wird, miteinander in einfacher Wechselwirkung steht.«
    Polyversum, dachte Gorian. Ein Begriff, den zumeist Angehörige des Ordens der Alten Kraft verwendeten, während die Priesterschaft des Verborgenen Gottes von Schöpfung sprach, wenn sie die Gesamtheit aller denkbaren Orte und Möglichkeiten meinte. Dass Nhorich den Begriff Polyversum relativ häufig in seinen Reden benutzte, verriet ihn als jemanden, der dem Orden der Alten Kraft lange angehört hatte. Die Denkweise, die dort gelehrt wurde, hatte sich tief in seine Persönlichkeit gegraben. Tiefer vielleicht, als Nhorich selbst es wahrhaben wollte, denn er war – im Rang eines Schwertmeisters – in Unfrieden aus dem Orden geschieden und mied seither jeden Kontakt zu dessen Vertretern.
    »Pasoch behauptet, dass der Tod meiner Mutter mit meiner Geburt zusammenhing«, erklärte Gorian, denn diesmal wollte er eine ergiebigere Antwort auf seine Frage.
    Nhorich blickte von dem Werkstück auf, das er einer letzten Prüfung unterzogen hatte, und lächelte verhalten. Es handelte sich um einen Dolch, geschmiedet von Nhorich selbst. Die Arbeit daran hatte Wochen in Anspruch genommen und war erst mit der Gravur der magischen Kraftzeichen beendet gewesen. Eine kurze Klinge, geschmiedet nach den Maßgaben der Schwertmeister des Ordens der Alten Kraft. Hinsichtlich der Schmiedekunst war Nhorich dem Orden noch immer treu, auch wenn er ansonsten alle Verbindungen zu ihm abgebrochen hatte. Er war zu der Erkenntnis gelangt, dass dieser Orden inzwischen bis ins tiefste Mark verderbt war, herabgesunken zu einem bloßen Machtinstrument der Herzöge von Laramont, die schon seit vier Generationen in Folge die Herrscher des Heiligen Kaiserreichs stellten.
    Das Ziel des Hauses Laramont lag auf der Hand: die Abschaffung des Wahlkaisertums und dessen Umwandlung in eine Erbmonarchie. Und sowohl der Orden der Alten Kraft als auch die Priesterschaft des Verborgenen Gottes waren – trotz ihrer erheblichen Gegensätze untereinander – zu Erfüllungsgehilfen dieses Adelshauses geworden. Beide hatten ihre alten Ideale verloren und sich damit Nhorichs tiefste Verachtung zugezogen.
    »Pasoch ist ein Narr«, sagte Nhorich, während er über die Klinge des Dolchs strich. Zumindest damit schien Nhorich zufrieden zu sein. Er packte den Griff und schleuderte die Waffe aus dem Handgelenk durch die Schmiedewerkstatt. Der Dolch beschrieb eine bogenförmige Flugbahn, fuhr dann etwas empor und landete in einer Schnitzerei über dem Türfirst, die eine tierhafte Dämonenfratze zeigte, direkt in das mit Hauern versehene, halb geöffnete und zu einem hämischen Grinsen verzogene Maul. Zitternd blieb er im Rachen des geschnitzten Fabelwesens stecken.
    Ein Dolch – in seiner Flugbahn abgelenkt durch den Einsatz der Alten Kraft, ging es Gorian durch den Kopf. Das gehörte zu den Künsten, die ein Schwertmeister des Ordens beherrschen musste, um diesen Titel für sich beanspruchen zu können. Und wann immer Gorian seinen Vater diese Künste anwenden sah, war dem abtrünnigen Schwertmeister die Anstrengung dabei niemals anzumerken, die eine derartige Beherrschung der Alten Kraft zweifellos erforderte. Seine Augen hatten sich nicht einmal mit purer Dunkelheit gefüllt, was ein Zeichen großer Konzentration auf diese Kraft war.
    Nhorich lächelte zufrieden. »Ein gutes Stück«, sagte er. »Vor allem die richtigen Symbole sind ein Punkt, der häufig unterschätzt wird, mein Sohn. Auf die kommt es an und darauf, in welcher Reihenfolge sie eingraviert werden.« Er schwieg eine Weile, und sein Blick schien in eine unbestimmte Ferne zu schweifen. Gorian kannte diesen Blick nur zu gut. Sein Vater war dann mit den Gedanken in der Vergangenheit. Gorian bedauerte es in diesen Momenten oft sehr, dass er ihm dorthin nicht folgen und nicht dieselben Dinge vor dem inneren Auge sehen konnte.
    Nhorich drehte sich zu Gorian um. »Was fällt Pasoch überhaupt ein, dir gegenüber derartige Dinge zu behaupten?«
    Pasoch war der örtliche Priester der Kirche des Verborgenen Gottes in dem nahen, an der Thisilischen Bucht gelegenen Küstenort Twixlum. Nhorichs Hof, wo der ehemalige Schwertmeister mit seinem Sohn und einigen Bediensteten zurückgezogen lebte,
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