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GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

Titel: GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit
Autoren: S Westerfeld
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Auch wenn Sie beide sich noch so gern haben, Sie sind eine Bürgerliche.«
    »Aye, das weiß ich. Trotzdem bin ich auch ein Soldat, und zwar ein brüllend guter.« Sie trat einen Schritt vor und riss sich zusammen, damit ihre Stimme nicht zitterte. »Ich bin der Soldat, der vielleicht aus Alek geworden wäre, wenn er nicht von einer Horde Schlaustiefel aufgezogen worden wäre. Ich habe das Leben, das er nicht leben konnte, weil er der Sohn eines Erzherzogs ist.«
    Volger runzelte die Stirn und verstand noch nicht ganz, doch in Deryns Kopf wurde das Bild klarer.
    »Ich bin der Junge, der Alek sein möchte, lieber als alles andere. Und Sie wollen ihm verraten, dass ich in Wirklichkeit ein Mädchen bin? Nachdem er seine Eltern und sein Zuhause verloren hat, wie wird er wohl auf diese Neuigkeit reagieren, Euer Grafschaft?«
    Der Mann starrte sie noch einen Moment lang an, dann rührte er seinen Kaffee um. »Es würde ihn vermutlich … verstören.«
    »Aye, würde es wohl. Guten Appetit, Graf.«
    Deryn erwischte sich dabei, wie sie unwillkürlich grinste, als sie die Kabine verließ.

3. KAPITEL
    Als sich der große Kiefer der Frachtklappe öffnete, pfiff ein eiskalter Wind durch den Laderaum, und die Lederriemen von Deryns Fliegeranzug knatterten und flatterten. Sie setzte ihre Schutzbrille auf, lehnte sich hinaus und schaute hinunter zum Boden, der unter ihnen vorbeirauschte.
    Unten sah man verschneite Flecken und Kiefern. Die Leviathan war morgens über die sibirische Stadt Omsk geflogen und hatte nicht angehalten, um die Vorräte aufzufüllen, sondern sie war weiter nach Norden auf ein geheimes Ziel zugeflogen. Allerdings hatte Deryn kaum Zeit gefunden, darüber nachzudenken, wo es hingehen sollte; in den dreißig Stunden seit Ankunft des Zarenadlers hatten sie fleißig für diese Frachtaufnahme geübt.
    »Wo ist der Bär?«, fragte Newkirk. Er beugte sich neben ihr hinaus und baumelte an seiner Sicherheitsleine in der dünnen Luft.
    »Vor uns, er schont seine Kräfte.« Deryn zog ihre Handschuhe straff und prüfte, ob das schwere Drahtseil auf der Winde ihr Gewicht hielt. Es war so dick wie ihr Handgelenk und dafür ausgelegt, Paletten mit zwei Tonnen Last zu heben. Die Takler hatten den ganzen Tag an dem Apparat herumgebastelt, doch dies war der erste Test in der Praxis. Dieses besondere Manöver war nicht einmal im Handbuch der Aeronautik beschrieben.
    »Ich mag Bären nicht«, murmelte Newkirk. »Manche dieser Tierchen sind einfach brüllend riesig .«
    Deryn deutete auf den Haken am Ende des dicken Taus, der so groß wie der Kronleuchter in einem Ballsaal war. »Dann sollten Sie lieber aufpassen, das Tierchen nicht ausgerechnet im Nasenloch aufzuspießen. Es hätte vielleicht etwas dagegen.«
    Hinter seiner Brille riss Newkirk die Augen auf.
    Deryn boxte ihn an die Schulter und beneidete ihn, weil er am wichtigen Ende des Seils arbeiten durfte. Es war nicht fair, dass er seine Kenntnisse als Flieger erweitert hatte, während sie zusammen mit Alek die Revolution in Istanbul vorangebracht hatte.
    »Danke, dass Sie mich noch nervöser machen, Mr. Sharp!«
    »Ich dachte, Sie hätten das schon einmal durchgeführt?«
    »Wir haben in Griechenland einige Frachtübernahmen gemacht. Aber dabei ging es um Postsäcke, nicht um schwere Lasten. Und von Pferdekutschen, nicht vom Rücken eines brüllend großen Bären!«
    »Klingt schon ganz anders«, sagte Deryn.
    »Im Prinzip das Gleiche, Jungs, und es funktioniert ganz genauso«, sagte Mr. Rigby hinter ihnen. Er betrachtete unablässig seine Taschenuhr, doch seinen Ohren entging nichts, selbst im heulenden sibirischen Wind nicht. »Ihre Flügel, Mr. Sharp.«
    »Aye, Sir. Wie ein guter Schutzengel.« Deryn hievte sich die Gleitflügel auf die Schultern. Sie würde Newkirk tragen und mithilfe der Flügel über den Kampfbären bringen.
    Mr. Rigby gab den Männern an der Winde ein Zeichen. »Viel Glück, Jungs.«
    »Danke, Sir!«, antworteten die beiden Kadetten wie aus einem Munde.
    Die Winde lief an, und der Haken glitt auf die offene Frachtluke zu. Newkirk packte ihn und hängte sich an einem dünneren Seil ein, das ihrer beider Gewicht beim Fliegen halten würde.
    Deryn breitete ihre Gleitflügel aus. Während sie auf die Ladeluke zutrat, wurde der Wind stärker und kälter. Selbst durch die bernsteingelbe Brille musste sie wegen der starken Sonne blinzeln. Sie packte den Harnisch, der sie mit Newkirk verband.
    »Fertig?«, rief sie.
    Er nickte, und gemeinsam sprangen sie
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