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GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

Titel: GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit
Autoren: S Westerfeld
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dabei unbehaglich von einer Kralle auf die andere. Deryn fragte sich, was für einen Käfig der Vogel wohl im Zarenpalast bewohnte. Vermutlich einen mit glänzenden Stäben, wo ihm fette Mäuse auf silbernen Tellern serviert wurden, in dem es nicht so schrecklich nach dem Schiet anderer Vögel stank.
    »Dylan«, sagte Alek, »wo wir mal einen Moment für uns sind …«
    Sie wandte sich zu ihm um. Er stand dicht bei ihr, seine grünen Augen glitzerten in der Dunkelheit. Es war immer am schwierigsten, seinen Blick zu halten, wenn er so totenernst war wie jetzt, aber es gelang ihr.
    »Tut mir leid, weil ich eben die Sache mit deinem Vater angesprochen habe«, sagte er. »Ich weiß, es setzt dir immer noch zu.«
    Deryn seufzte und fragte sich, ob sie nicht einfach sagen sollte, er brauche sich keine Gedanken zu machen. Aber es war schon ein wenig verzwickt, nachdem Newkirk dann von ihrem Onkel gesprochen hatte. Es wäre sicherer, Alek die Wahrheit zu sagen, zumindest den Teil, den sie wagen durfte.
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, sagte sie, »aber eins solltest du wohl wissen. In der Nacht, in der ich dir vom Unfall meines Vaters erzählt habe, habe ich dir nicht alles erklärt.«
    »Wie meinst du das?«
    »Na ja, Artemis Sharp war zwar mein Vater, so wie ich es gesagt habe.« Deryn holte tief Luft. »Aber beim Air Service denken alle, es wäre mein Onkel gewesen.«
    Sie konnte Alek am Gesicht ablesen, dass dies für ihn keinerlei Sinn ergab, und ohne große Mühe kamen ihr die Lügen über die Lippen.
    »Als ich eingetreten bin, war mein älterer Bruder schon beim Service. Daher konnten wir nicht sagen, dass wir Brüder sind.«
    Das war natürlich hohles Geschwafel. Der eigentliche Grund war, dass Jaspert all seinen Kameraden erzählt hatte, außer einer jüngeren Schwester habe er keine weiteren Geschwister. Ein Bruder, der aus dem Nichts auftauchte, hätte dann vielleicht doch einen Micker verwirrt.
    »Wir tun so, als wären wir Cousins. Verstehst du?«
    Alek runzelte die Stirn. »Brüder dienen bei euch nicht zusammen im Militär?«
    »Nicht, wenn der Vater tot ist. Verstehst du, wir sind die einzigen Kinder. Und wenn wir beide …« Sie zuckte mit den Schultern und hoffte, er würde ihr die Geschichte abnehmen.
    »Ach, damit der Familienname weiter besteht. Sehr vernünftig. Aus dem Grund wollte deine Mutter nicht, dass du zum Militär gehst?«
    Deryn nickte verdrießlich und fragte sich, warum es immer so brüllend kompliziert werden musste, wenn sie sich ein einziges Mal zu einer Lüge hinreißen ließ. »Ich wollte dich nicht in meine Täuscherei hineinziehen. Doch in jener Nacht habe ich gedacht, du würdest das Schiff sowieso verlassen. Daher habe ich dir die Wahrheit gesagt und nicht das, was ich sonst allen erzähle.«
    »Die Wahrheit«, wiederholte Bovril. » Mr. Sharp.«
    Alek hob die Hand und legte sie auf die Tasche seiner Jacke. Dort bewahrte er, wie Deryn wusste, den Brief vom Papst auf, mit dessen Hilfe er vielleicht eines Tages Kaiser werden würde. »Keine Sorge, Dylan. Ich werde all deine Geheimnisse für mich bewahren, so wie du meine.«
    Deryn stöhnte. Sie hasste es, wenn Alek solche Dinge sagte. Denn schließlich konnte er nicht alle ihre Geheimnisse bewahren, oder? Das allergrößte kannte er nicht einmal.
    Plötzlich wollte sie nicht mehr lügen. Nicht mehr so viel, jedenfalls.
    »Warte«, sagte sie. »Ich habe dir gerade einen Haufen Killefit erzählt. Brüder können zusammen dienen. Es geht um etwas anderes.«
    »Killefit«, wiederholte Bovril. Alek stand einfach mit sorgenvollem Gesicht da.
    »Aber ich kann dir den wahren Grund nicht sagen«, fügte Deryn hinzu.
    »Warum nicht?«
    »Weil …« Weil sie eine Bürgerliche war und er ein Prinz. Weil er eine Meile weit laufen würde, wenn er es erfuhr. »Du würdest nicht mehr so viel von mir halten.«
    Er starrte Deryn einen Augenblick lang an und legte ihr dann eine Hand auf die Schulter. »Du bist der beste Soldat, den ich je kennengelernt habe, Dylan. Der Junge, der ich immer sein wollte, wenn ich nicht als nutzloser Prinz geboren worden wäre. Ich könnte niemals etwas Schlechtes von dir denken.«
    Sie stöhnte, drehte sich um und wünschte, es würde Alarm gegeben, Zeppeline würden angreifen oder ein Gewitter würde über sie hereinbrechen. Damit sie von diesem Gespräch erlöst wäre.
    »Pass mal auf«, sagte Alek und zog die Hand zurück. »Selbst wenn es in deiner Familie ein dunkles Geheimnis gibt, wer bin ich,
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