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GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

Titel: GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit
Autoren: S Westerfeld
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hatte allen möglichen Killefit im Oberstübchen, und er redete dauernd davon, die Vorsehung bestimme sein Leben, seit er von zu Hause aufgebrochen war. Und dass es sein Schicksal sei, diesen Krieg zu beenden.
    Soweit sie sagen konnte, war dieser Krieg viel zu groß, um von einer einzigen Person beendet zu werden, ob es nun ein Prinz oder ein Bürgerlicher wäre, und das Schicksal kümmerte sich einen Micker darum, wofür irgendwer bestimmt wäre. Deryns Schicksal war es schließlich, ein Mädchen zu sein, Röcke zu tragen und sich mit quengelnden Bälgern abzumühen. Aber sie hatte ihr Schicksal mit Hilfe ihrer Nähkünste recht gut ausgetrickst.
    Natürlich gab es andere Schicksale, denen sie nicht entwischt war, zum Beispiel dem, sich in einen blöden Prinzen zu verlieben, und zwar so erbarmungslos, dass ihr Kopf jetzt voller unsoldatischem Unfug steckte: nämlich, sein bester Freund zu sein und sein Verbündeter, während an ihrem Herzen eine stete hoffnungslose Sehnsucht nagte.
    Glücklicherweise war Alek zu sehr mit seinen eigenen Problemen und mit den Problemen der ganzen brüllenden Welt beschäftigt, um es zu bemerken. Natürlich war es ein bisschen leichter, ihre Gefühle zu verbergen, weil er ja nicht wusste, dass sie ein Mädchen war. Niemand an Bord außer Graf Volger hatte davon eine Ahnung, und mochte dieser österreichische Adelige auch ein Oberpenner sein, so hatte er immerhin Spaß daran, Geheimnisse zu bewahren.
    Sie erreichten die Luke zum Schlag, und Deryn langte nach dem Druckverschluss. Doch mit einer Hand war der Mechanismus im Dunkeln nicht leicht zu öffnen.
    »Wie wäre es mit ein wenig Licht, Euer göttliche Prinzlichkeit?«
    »Aber mit Vergnügen, Mr. Sharp«, sagte Alek und zog seine Kommandopfeife heraus. Er sah sie wissend an und pfiff die entsprechenden Töne.
    Die Glühwürmchen hinter der Luftschiffhaut begannen zu flackern, und ein sanftes grünes Licht erfüllte den Gang. Schließlich fiel Bovril ins Pfeifen mit ein, wobei seine Stimme so hell klang wie Silberglöckchen. Das Licht wurde greller.
    »Gut gemacht, Tierchen«, sagte Deryn. »Aus dir machen wir auch noch einen Kadetten.«
    Alek seufzte. »Was man von mir wohl nicht sagen kann.«
    Deryn beachtete sein Jammern nicht und öffnete die Tür zum Schlag. Als das Kreischen und Schreien von innen lauter wurde, packte der Zarenadler ihren Arm fester, und die scharfen Krallen drückten sich sogar durch das Leder der Falknerhandschuhe.
    Sie führte Alek einen erhöhten Laufsteg entlang und suchte nach einem leeren Platz. Es waren insgesamt neun Käfige, drei unter ihr und drei zu den Seiten, jeder davon doppelt so hoch wie ein Mann. Die kleineren Raubvögel und Boten flatterten wild durcheinander, während die Kampffalken würdevoll auf ihren Plätzen saßen und die weniger wichtigen Vögel um sie herum überhaupt nicht beachteten.
    »Bei den Wunden des Allmächtigen!«, sagte Alek hinter ihr. »Das ist ja das reinste Tollhaus.«
    »Tollhaus«, wiederholte Bovril und sprang von Aleks Schulter auf das Geländer.

    »Geheimnisse im Vogelschlag.«
    Deryn schüttelte den Kopf. Alek und seine Männer fanden oft, dass im Luftschiff zu großes Durcheinander herrschte. Das Leben war wild und wirr, verglichen mit den schnurrenden Uhrwerken der Mechanistenapparate. Das Ökosystem der Leviathan mit seinen hundert verzahnten Spezies war weitaus komplexer als eine leblose Maschine und deswegen eben auch eine Winzigkeit weniger ordentlich. Aber dadurch blieb die Welt ja interessant, fand Deryn; die Wirklichkeit hatte keine Zahnräder, und man wusste nie, welche Überraschungen das Chaos bereithielt.
    Ganz gewiss hatte sie niemals erwartet, eines Tages dabei zu helfen, eine Mechanistenrevolution durchzuführen, von einem Mädchen geküsst zu werden oder sich in einen Prinzen zu verlieben. Und doch war das alles im letzten Monat geschehen, und dabei hatte der Krieg gerade erst angefangen.
    Deryn entdeckte den Käfig, den die Vogelhüter frei gemacht hatten, und zog den Ladeschacht vor den Platz darüber. Es wäre nicht gut, den Zarenadler mit anderen Vögeln zusammenzustecken, nicht solange er Hunger hatte.
    Mit einer flinken Bewegung zog sie die Hauben ab und schob das Tierchen in den Schacht. Er flatterte hinunter in den Käfig und drehte sich für einen Moment wie ein vom Wind getriebenes Blatt in der Luft, ehe er auf der größten Stange landete.
    Von dort aus beäugte der Zarenadler seine Mitgeschöpfe durch die Stangen und bewegte sich
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