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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition)
Autoren: Gisela Stelly
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rechtliche Form der Produktionsgesellschaft, über die Höhe der bisher geleisteten und noch benötigten Investitionen und den Hinweis auf die einmalige Gelegenheit, sich an der Gesellschaft mittels Anteilsscheinen beteiligen zu können. Tabellen ließen erkennen, in welchem Zeitraum welche Gewinne erwartet wurden, und die kletterten nach der Ausbauphase von einem, maximal zwei Jahren in eine außerordentliche Höhe.
    Johann wurde von einem kurzen Schwindel erfasst, der abrupt endete, als er die beigefügte Liste der bisherigen Anteilseigner überflog. Sie verbürgte die prognostizierten Gewinne sozusagen auf gesellschaftlicher Ebene, enthielt sie doch bekannte Namen aus der bayerischen Großindustrie. Und auch der bayerische Adel hatte gezeichnet.
    Über alle Maßen beeindruckt stand er auf, trat vom Schreibtisch zurück, schaute fragend vom Druckereibesitzer zum General und dann auf die Karte mit der Darstellung der Anlage.
    »Kaum zu glauben, nicht wahr?«, sagte Dr. Willinger, lächelte nachsichtig und schlug ihm nun vor, an einer Besichtigung der Goldmine, die sich eine knappe Autostunde entfernt in der Nähe von Starnberg am Starnberger See befände, teilzunehmen. Johann willigte, so verblüfft wie neugierig, nach kurzem Zögern ein. Daraufhin verabschiedete sich der General, man würde sich ja gleich wiedersehen, murmelte er.
    Wenig später saß Johann neben Dr. Willinger im Fond eines Automobils, das von einem Fahrer chauffiert wurde. Sie fuhren eine Uferstraße am Starnberger See entlang. Links und rechts präsentierten sich ihnen italienisch anmutende Villen in parkähnlichen Gärten oder reihten sich mehrgeschossige Häuser im Alpenstil aneinander, dazwischen sah er hin und wieder das Blau des Sees oder in der Ferne, wie Dr. Willinger erklärte, die Schneekuppen des Karwendelgebirges aufscheinen.
    Schließlich lehnte sich Johann in seinen Sitz zurück und schloss die Augen. Getragen von seinem schwärmerischen, ja leidenschaftlichen Glauben an den technischen Fortschritt, bestätigt durch die illustren Namen von Vertretern der bayerischen Industrie, der Finanz- und Adelswelt, geriet Johann nun ins Visionieren: Mithilfe der Gewinne durch den Besitz von Anteilsscheinen an der Goldmine würde er expandieren und sich seinen Lieblingswunsch, der Papierfabrik eine Druckerei anzugliedern, erfüllen können. Die Geburt seines ersten Sohnes nach vier Töchtern erschien ihm nun als verheißungsvolles Omen für eine solche unternehmerische Entscheidung, denn mit ihr würde er eine solidere Basis für die Zukunft schaffen. Auch würde Anton schon früh das gedruckte Wort lieben lernen, es vielleicht sogar eingehender studieren können als sein Vater.
    Johann war auf dem Höhepunkt seiner Vision, als der Fahrer das Automobil von der Uferstraße in eine Einfahrt lenkte und, an einer Madonnenstele vorbei, in einen Kiesweg abbog. Unwillkürlich drehte er sich zu der Stele mit der Jungfrau Maria und dem Kind um und fasste sogleich Vertrauen zu diesem Ort, wurde er doch von der Muttergottes, Katharinas Schutzpatronin, bewacht.
    »Ein herrliches Anwesen, nicht wahr?«, hörte er Dr. Willinger sagen, wandte sich wieder in Fahrtrichtung und sah ein bäuerlich anmutendes, zweistöckiges Giebelhaus, das in einer hügelig ansteigenden Parklandschaft mit altem Baumbestand lag.
    Er habe sich die Industrieanlage als Fabrik vorgestellt, meinte Johann, und Dr. Willinger hörte deutlich die Enttäuschung in seiner Stimme.
    Der Amselhof, so der Name des Anwesens, erklärte er schnell, gehöre dem Münchner Bankier Münzer. Die Anlage befände sich hinter dem Landhaus, in jenem Hügel mit den kleinen Entlüftungsschornsteinen, Dr. Willinger wies in die Ferne, und Johann suchte nach Schornsteinen, fand jedoch keine. In früheren Zeiten, fuhr Dr. Willinger fort, sei das Gewölbe im Hügel Lagerraum des ehemaligen Nonnenklosters gewesen, zu dem der Amselhof gehöre und von dem er seinen Namen erhalten habe, hießen doch in Bayern Nonnen im Volksmund auch Amseln. Und diesen Lagerraum der Amseln habe der Bankier dem General für die erste Anlage zum Zwecke der industriellen Herstellung von Gold zur Verfügung gestellt.
    »Sie werden überrascht sein!«, versprach der Druckereibesitzer enthusiastisch.
    Johann nickte nur, er war enttäuscht, ganz selbstverständlich hatte er sich das auf der Schaukarte so beeindruckende Kesselsystem in der Halle eines Fabrikgebäudes vorgestellt und nicht in einem Gewölbe unter einem grasbewachsenen
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