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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube
Autoren: Sue Grafton
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bewacht wurde, nachdem mich ein bezahlter Killer von der Straße abgedrängt hatte. Jetzt war er zwei Jahre älter, womit er ungefähr fünfzig sein mußte, kein schlechtes Alter für einen Mann. Er hatte im November Geburtstag, ein dreifacher Skorpion, für diejenigen, die darauf etwas geben. Die letzten drei Monate unserer Beziehung hatten wir zusammen im Bett verbracht, wenn wir nicht draußen am Schießstand waren und Schießübungen mit mosambikanischen Pistolen machten. Eine Liebesaffäre unter Privatdetektiven ist eine merkwürdige und wundersame Angelegenheit. Er wirkte ein bißchen massiger, aber das lag daran, daß er mit dem Rauchen aufgehört hatte — vorausgesetzt, er hatte nicht doch wieder angefangen...
    »Möchtest du einen Kaffee?« fragte ich.
    »Gern. Wie geht’s dir? Du siehst gut aus. Der Haarschnitt gefällt mir.«
    »Vierzig Dollar. So eine Verschwendung! Ich hätte es selbst machen sollen.« Ich suchte alles Nötige für eine Kanne Kaffee zusammen und nutzte die häusliche Beschäftigung, um meine Gefühlslage zu ergründen. Eigentlich empfand ich nicht viel. Ich freute mich, ihn zu sehen, genauso wie ich mich über die Begegnung mit jedem alten Freund gefreut hätte, doch über eine gewisse Neugier hinaus blieb mir ein Aufwallen der sexuellen Chemie erspart. Ich verspürte weder heftige Freude angesichts seines Auftauchens noch Ärger darüber, daß er unangemeldet gekommen war. Er war ein impulsiver Mann: ungeduldig, ruhelos, sprunghaft. Er sah müde aus, und sein Haar wirkte wesentlich grauer, fast aschgrau um die Ohren. Er setzte sich auf einen meiner Küchenhocker und lehnte die Unterarme auf den Tresen.
    Ich schaltete die Kaffeemaschine ein und stellte die Tüte mit dem gemahlenen Kaffee wieder in den Kühlschrank. »Wie war’s in Deutschland?«
    Dietz war ein Privatdetektiv aus Carson City, Nevada, der sich auf Personenschutz spezialisiert hatte. Er hatte das Land verlassen, um nach Deutschland zu gehen, wo er antiterroristische Trainingsprogramme für Militärstützpunkte in Übersee leitete. Er antwortete: »Gut, solange es lief. Irgendwann blieben die Gelder aus. Heutzutage will Uncle Sam keine Mäuse mehr für so was rauswerfen. Aber es hat mich sowieso angeödet: als Mann mittleren Alters durchs Unterholz zu kriechen. Ich mußte zwar nicht unbedingt mit ihnen rausgehen, aber ich konnte es nicht lassen.«
    »Und was bringt dich wieder her? Arbeitest du an einem Fall?«
    »Ich will die Küste hochfahren, um die Jungs in Santa Cruz zu besuchen.« Dietz hatte zwei Söhne mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin, einer Frau namens Naomi, die sich standhaft geweigert hatte, ihn zu heiraten. Sein älterer Sohn Nick war inzwischen vermutlich zwanzig. Ich wußte nicht genau, wie alt der jüngere Sohn war.
    »Ah. Und wie geht es ihnen?«
    »Phantastisch. Sie müssen diese Woche irgendwelche Hausarbeiten abgeben, also habe ich gesagt, ich würde noch bis Samstag warten und dann erst hochkommen. Wenn sie ein paar Tage frei kriegen, würde ich gern ein bißchen mit ihnen wegfahren.«
    »Mir ist aufgefallen, daß du hinkst. Woher kommt das?«
    Er tätschelte seinen linken Oberschenkel. »Ein kaputtes Knie«, antwortete er. »Hab mir bei Nachtmanövern den Meniskus gerissen, als ich über ein Schlagloch gestolpert bin. Das ist jetzt schon die zweite Meniskusverletzung, und die Docs sagen, ich müßte mir eine Knieplastik machen lassen. An einer Operation bin ich nicht interessiert, aber ich habe mich bereit erklärt, dem Knie etwas Ruhe zu gönnen. Außerdem bin ich ausgelaugt. Ich brauchte einen Tapetenwechsel.«
    »Du warst auch ausgelaugt, bevor du weggegangen bist.«
    »Nicht ausgelaugt. Ich habe mich gelangweilt. Aber ich glaube, weder das eine noch das andere läßt sich dadurch heilen, daß man immer weiter das gleiche macht.« Dietz’ graue Augen waren sehr klar. Er war auf seine ungewöhnliche Weise ein gutaussehender Mann. »Ich dachte, ich könnte vielleicht ein paar Tage auf deiner Couch kampieren, wenn du nichts dagegen hast. Ich soll möglichst wenig auf den Beinen sein und mir Eis aufs Knie legen.«
    »Also wirklich! Das ist ja reizend. Du verschwindest für zwei Jahre aus meinem Leben, und dann tauchst du wieder auf, weil du eine Krankenschwester brauchst? Vergiß es.«
    »Ich verlange nicht von dir, daß du dir Umstände machst«, sagte er. »Ich nehme an, du hast zu tun, also bist du doch ohnehin den ganzen Tag unterwegs. Ich sitze einfach hier und lese oder sehe fern und
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