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Gold und Mitternachtsschwarz

Gold und Mitternachtsschwarz

Titel: Gold und Mitternachtsschwarz
Autoren: Megan Hart
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still in ihren Armen, aber als sie den Säugling seinem Vater reichen wollte, wandte Pitor das Gesicht ab.
    „Bring die Kinder weg.“
    Die Hebamme war eine herzensgute Frau, die schon viele Geburten und Todesfälle erlebt hatte, aber nichts hatte sie so überrascht wie diese. Erneut reichte sie ihm behutsam das Kind. „Es ist nur eines. Ich lag falsch.“
    Sie hatte sich noch nie geirrt, und sie war nicht sicher, ob sie auch jetzt tatsächlich falsch lag. Ein Kind war geboren worden, ja, aber das Mädchen war nicht wie andere Babys. Die Hebamme schob die Tücher beiseite und zeigte Pitor das Gesicht des Kindes. Er schaute nicht hin.
    „Sieh nur“, sagte die Hebamme. „Ihre Augen? Ihr Haar?“
    Pitor schüttelte den Kopf. „Meine Frau ist tot. Nimm diese Kreatur weg.“
    Die Hebamme blickte auf das Gesicht des schlafenden Säuglings. Das Haar glänzte auf der einen Kopfhälfte wie silbriges Gold, auf der anderen Seite war es pechschwarz wie die Trauer. Mit den Augen des Kindes war es dasselbe – das eine war blassblau, das andere von einem tiefen Mitternachtsschwarz. Zwei Gesichter – und doch nur eines.
    „Was soll ich deiner Meinung nach mit dem Kind machen?“, fragte die Hebamme leise.
    „Es ist mir egal“, sagte Pitor. „Du kannst es meinetwegen töten, so wenig kümmert es mich. Und jetzt verschwinde, und lass mich meine Frau begraben.“
    So schlich die Hebamme in die Nacht hinaus, das Bündel in ihren Armen geborgen. Sie ließ den Mann zurück, der sich um seine Frau kümmerte, die er so sehr geliebt hatte.
    Die Hebamme, die bereits mehr als bloß ihre eigenen Kinder großgezogen hatte, wollte nicht noch eines aufziehen. Nicht mal eines, das so niedlich krähte und mit seinen winzigen Händchen in der Luft wedelte. Ein Kind, das nicht wie andere Babys weinte. Und wenn es weinte, tränte nur sein dunkles Auge, und nie das helle.
    Der Mann der Hebamme, der ein ebenso herzensguter Mann war wie seine Frau, wollte auch keine weiteren Kinder aufziehen. „Ich bin zu alt, um damit noch mal anzufangen“, erklärte er. „Wir haben sogar schon unsere Enkelkinder auf unseren Knien geschaukelt und warten jetzt nur noch, dass sie uns ihre Kinder bringen, denen wir unsere Liebe schenken. Warum müssen wir da noch ein Kind aus der Gosse adoptieren?“
    Die Hebamme widersprach ihm nicht. „Ich werde sie zu der edlen Dame auf dem Hügel bringen. Sie hat sich so lange nach einem eigenen Kind gesehnt und hat nie eines bekommen. Vielleicht nimmt sie dieses an Kindes statt an.“
    So kam es, dass das namenlose Baby mit den unterschiedlichen Augen in das große Steinhaus auf dem Hügel kam, um dort zu leben.
    ***
    Die edle Dame, die nicht annähernd so schön war wie Ilina, die jedoch von ihrem Mann ebenso innig geliebt wurde, nannte ihre neue Tochter Miracula, weil dieses Kind auf wundersamen Wegen zu ihnen gelangt war. Nie wurde ein Kind so sehr gehätschelt und verwöhnt, nie bekam ein Kind mehr Liebe als die kleine Mira von ihren Adoptiveltern.
    Zu der Zeit, da sie zur Frau wurde, war Mira im ganzen Land bekannt als das schönste Mädchen weit und breit. Ihr Haar floss in Wellen über ihren Rücken und reichte bis zu den Knien, und auf der einen Seite war es silberblond, auf der anderen tintenschwarz. Und jeder, der ihre perfekten Gesichtszüge betrachtete, bestätigte, dass die unterschiedliche Färbung ihrer Augen nur die Dichte ihrer Wimpern, das Rot ihrer Lippen und ihre leicht rosigen Wangen betonte. Ihr Körper war üppig und fest, sie hatte wohlgerundete Brüste und einen knackigen Po, und ihre Hüften luden förmlich dazu ein, dass die Hände eines Mannes sich darauflegten.
    Das Vermögen ihres Vaters machte sie nur noch begehrenswerter, aber obwohl viele Männer um die Hand der Adoptivtochter des Edelmanns anhielten, wurde niemandem gestattet, um sie zu werben.
    „Sie ist noch ein Kind“, beharrte ihr Vater ihrer Mutter gegenüber. Sie wusste es besser, aber sie wollte nicht mit ihm streiten. „Sie ist noch nicht so weit, dass sie verheiratet werden kann, dass sie davongeht und uns verlässt.“
    „Eines Tages“, sagte die Edelfrau und tätschelte die Hand ihres Mannes, „wird sie gehen müssen.“
    Auch wenn sie ihre Tochter sehr liebte, wusste die Edelfrau, wie es war, eine junge Frau ohne Verehrer zu sein. Wie sehr sich ihre Tochter nach der Zeit sehnen musste, wenn endlich jemand um sie werben durfte, so wie die Männer um all die anderen jungen Frauen warben.
    „Sie wollen doch alle bloß
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