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Götter der Nacht

Titel: Götter der Nacht
Autoren: Pierre Grimbert
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Kaschemme sprang auf und fegte Regen, Wind und zwei seltsame Gestalten herein. Worja Stehtrinker war seit fünfunddreißig Jahren Gastwirt, und seit über zehn Jahren führte er nun schon eine Schänke in Trois-Rives an der Mündung der Rochane. Er hatte also genug Erfahrung, um auf den ersten Blick zwei Dinge zu erkennen: Die Neuankömmlinge kamen nicht aus Romin, und sie würden ganz sicher nichts bestellen. Mit einem Blick unter den Tresen vergewisserte er sich, dass sein Dolch in Reichweite lag.
    Der größere der beiden war eindeutig Arkarier, obwohl er eine dunklere Haut hatte als seine Landsleute. Aber seine Hautfarbe war Worja so egal wie der pelzige Hintern eines Margolins. Er sah nur die Größe dieses Mannes, der zottelig war wie ein Bär und mindestens doppelt so stark wirkte. Obendrein trug der Riese einen Streitkolben.
    Der andere ließ sich nicht so leicht einschätzen: Er mochte Lorelier oder Kaulaner sein. Worja registrierte vor allem das Rapier, das ihm am Gürtel hing, die offenen Wunden der beiden Männer und ihre grimmigen Mienen, die nichts Gutes verhießen.
    Als die Unbekannten auf ihn zusteuerten, warf der Wirt einen hilfesuchenden Blick in die Runde. Doch seine fünf Gäste versenkten sich angestrengt in den Inhalt ihrer Becher. In Romin war man Fremden nicht eben freundlich gesinnt - vor allem nicht, wenn sie bewaffnet waren und finstere Gesichter machten.
    »Wir suchen einen Heiler«, verkündete der Lorelier mit matter Stimme. »Man sagte uns, Ihr könntet uns helfen.«
    Worja verwünschte den Witzbold, der ihm diese Fremden auf den Hals geschickt hatte. Bestimmt war es ein Presdanier gewesen. Phrias sollte sie holen, diese Presdanier! »Das war gelogen, meine Herren. In ganz Trois-Rives gibt es niemanden, der würdig wäre, als Heiler bezeichnet zu werden. Ich fürchte, Euch bleibt nichts übrig, als nach Mestebien zu reiten.«
    Der Lorelier übersetzte seinem Begleiter die Worte des Wirts, worauf der Arkarier die Augen aufriss und den Kopf schüttelte. Die Auskunft schien ihnen nicht zu gefallen. Das hätte sich Worja denken können.
    »Dazu fehlt uns leider die Zeit«, sagte der Lorelier. »Zu wem bringt Ihr hier in Trois-Rives Eure Verletzten? Es muss in dieser Stadt doch irgendjemanden geben, der sich um Kranke kümmern kann! Muss ich Euch den Namen etwa mit klingender Münze bezahlen?«
    »Das wird nicht nötig sein, mein Herr. Wie ich schon sagte: Es gibt hier niemanden, der Euch helfen könnte. Ich kann Euch nur raten, so schnell wie möglich aufzubrechen, wenn die Zeit drängt.«
    Wollten die Fremden nicht endlich begreifen, dass sie unerwünscht waren? Worja umklammerte seinen Dolch, nicht nur, weil er sich auf das Schlimmste gefasst machte, sondern vor allem, um sich sein Zittern nicht anmerken zu lassen.
    Der Lorelier seufzte und lehnte sich ergeben an den Tresen. Dann fuhr er auf einmal herum und sprang mit einem geschmeidigen Satz über das Hindernis hinweg. Ehe er sich’s versah, spürte der Wirt eine Dolchklinge am Hals.
    »Na schön«, stellte der Fremde fest. »Offenbar haben mein Freund und ich uns nicht klar genug ausgedrückt. Wir haben nicht vor, dieses Gasthaus in Schutt und Asche
zu legen, obwohl mir diese Vorstellung mittlerweile recht verlockend erscheint. Wir suchen schlicht und einfach einen Heiler. Wenn Ihr uns bis Tagesanbruch keinen Namen nennt, werdet Ihr und Eure Gäste selbst einen brauchen, das verspreche ich Euch.«
    Der Gewaltausbruch hatte die Rominer so überrumpelt, dass sie sich nicht vom Fleck rührten. Ohne seinen Griff zu lockern, stieß der Lorelier einen Schwall weiterer Drohungen aus, während Worja vor Angst die Knie schlotterten.
    »Mein Freund Bowbaq, den Ihr hier seht, hat vor nicht einmal einer Dekade mit bloßen Händen ein Piratenschiff versenkt. Glaubt Ihr nicht auch, dass es gefährlich wäre, ihn zu verärgern? Bowbaq, mach mal ein böses Gesicht«, forderte Rey den Arkarier auf, der den Wortwechsel auf Romisch nicht verstanden hatte.
    Der Riese fletschte die Zähne, als wolle er seinem Löwen Mir Konkurrenz machen. Dann kam er sich lächerlich vor, und so begnügte er sich lieber damit, sich mit verschränkten Armen vor der Tür aufzubauen. Rey musste sich ein Lachen verkneifen. Aber die Grimasse hatte die erwünschte Wirkung.
    »Wozu sucht Ihr denn einen Heiler?«, traute sich schließlich eine der Geiseln zu fragen.
    »Um ihm ein Fischernetz abzukaufen. Bei allen Göttern und ihren Huren! Wozu wohl? Ein Freund von uns benötigt
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