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Glückskind (German Edition)

Glückskind (German Edition)

Titel: Glückskind (German Edition)
Autoren: Steven Uhly
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›Nein‹ an. Nächster Punkt. Familienstand? Kinder? Mehrbedarf (Schwangere haben einen Anspruch darauf)? Behinderung (Hans’ Gehirn, denkt Hans)? Einkommensverhältnisse? Kein Einkommen. Vermögensverhältnisse? Kein Vermögen. Weder materiell noch sonst, denkt Hans. Sonstige Ansprüche: Unterhaltsforderungen? Könnte ich an Felizias Mutter stellen, denkt Hans und lacht kurz auf und fragt sich, was für ein Mensch wohl sein eigenes Kind … aber er denkt den Gedanken nicht weiter. Zum Schluss unterschreibt Hans, dass seine Angaben zutreffend sind, und wenn er sich früher wie ein Lügner gefühlt hat, dann kommt er sich jetzt wie ein professioneller Betrüger vor. Aber früher war es ein schlechtes Gefühl, weil Hans immer Angst hatte, dass Frau Mohn ihn erwischt. Jetzt ist es ein gutes Gefühl.
    Nach einer Viertelstunde ist der Antrag vollständig ausgefüllt. Hans lehnt sich zurück. Dann faltet er einen Briefumschlag aus einem Blatt Papier und mit viel Tesafilm. Er schreibt an die Agentur für Arbeit, die Adresse kennt er auswendig, zu Händen Frau Mohn, zuständig für den Buchstaben D. Irgendwo muss es noch eine Briefmarke geben, Hans sucht sie, aber er findet sie nicht. Plötzlich hört er Felizias Schreien aus dem Schlafzimmer. Er wirbelt Staub auf, so schnell eilt er zu ihr. Da liegt sie, ihre Augen sind noch geschlossen, Hans hebt sie hoch. Dort, wo sie gelegen hat, ist ein dunkler Fleck. »Du bist ja ganz nass«, sagt Hans. Dann fällt ihm ein, dass er ihr keine Windel angezogen hat. Sie hat in ihre Kleidung uriniert und die ganze Zeit darin gelegen, jetzt ist sie kalt, ihre kleinen Hände sind kalt und das Bett ist bis auf die Matratze durchnässt. Hans fühlt, wie die Verzweiflung zurückkehrt. Er eilt mit Felizia ins Badezimmer, wirft das nasse Handtuch auf den Wäscheberg, wäscht sie mit warmem Wasser ab. Felizia macht die Augen auf und sieht ihn erschrocken an und schreit. Er fischt ein anderes schmutziges Handtuch aus dem Wäscheberg, trocknet sie ab. Er wickelt sie notdürftig in das Handtuch ein und eilt mit ihr zu den Einkaufstüten. Während Felizia schreit, reißt Hans Plastikverpackungen auf, zuerst die Windeln, dann einen Body, eine Strumpfhose, Socken, die Mütze, ein Kleid. Bald ist Felizia in lauter saubere, neue Sachen gekleidet und schreit immer noch. Hans legt sie sich in die linke Armbeuge. Mit der Rechten packt er den Wasserkocher aus, füllt ein wenig Leitungswasser hinein, schließt ihn an Stelle des Transistorradios ans Stromnetz an und erhitzt das Wasser. Er reißt die Plastikverpackung einer Babyflasche auf, dabei fällt ihm Felizia beinahe aus der Armbeuge. Er füllt das Milchpulver hinein, dann das heiße Wasser, mit kaltem Leitungswasser reguliert er die Temperatur. Endlich kann er sich auf seinen Stuhl setzen und Felizia füttern. Sie trinkt gierig fast fünfzig Milliliter. Anschließend schläft sie sofort wieder ein. Hans lehnt sich erschöpft zurück. »Wo soll ich dich jetzt hinlegen?«, sagt er leise. Er steht auf und sieht sich in seiner schmutzigen Wohnung um. Felizia ist wie ein Kontrastmittel, ganz gleich wohin er sie legen will, überall würde ihre saubere neue Kleidung sofort staubig und schmutzig werden, sogar wenn er sie sich mit dem neuen Tragetuch vor seine schmutzige Brust hängt. »Dieses Kind passt nicht hierher«, murmelt Hans traurig. »Aber es passt auch nicht in den Müll«, sagt er dann, »und wenn es hier schmutzig ist, dann ist im Müll nichts anderes mehr als Schmutz.« Hans schüttelt den Kopf. »Nein, nein«, sagt er trotzig, »du hast es gut hier, du bist bei einem alten Taugenichts gelandet, das ist großartig, ganz großartig, machen wir uns nichts vor.«
    Hans wird sich Felizia umhängen, auch wenn sein Hemd so speckig ist, dass er selbst nicht mehr genau hinschauen und -fühlen will. Er legt Felizia auf den Tisch. Sie dreht ihren Kopf zur Seite und schläft weiter. Dann macht er sich an dem Tragetuch zu schaffen. Er hat einige Probleme damit, aber nach einer Weile begreift er, wie es funktioniert. Vorsichtig schiebt er sie so hinein, dass auch ihr Kopf gehalten wird. Dann den Mantel drüber, und wenn er den zuknöpft, Sieht man kaum, dass ich sozusagen schwanger bin, denkt Hans und grinst. Er will die Wohnung verlassen, aber plötzlich bleibt er ganz still stehen und fühlt Felizias Herzschlag gleich unter seiner Brust. Ganz schnell ist das Pochen ihres Herzens. Wie das Herz eines Vögelchens, denkt Hans und erinnert sich. Als er klein
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