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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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okay?«
    »Ich bin hier«, sagte Enrique und verkniff sich das Lachen, bis er aufgelegt hatte.
    Die Behauptung, Margaret sei nur eine Fiktion, war tatsächlich der perfekte Köder gewesen. Und ob sie real war! So beängstigend real sogar, dass er, obwohl derwildlederbekleidete Fuß immer noch wippte, stur Bernard fixierte. Sein bescheuerter Freund hatte sich an den kleinen, runden Massivholztisch rechts vom Kamin gesetzt. Er hatte sein (für dieses Wetter) zu knappes, schwarzes Lederjäckchen angelassen und griff jetzt in die Innentasche, um ein neues Päckchen Zigaretten hervorzuziehen. Er begann wieder mit dem abartigen Zigarettenritual und führte auf dem hellen Holz des Tischs sein Bartók-Konzert für Camel ohne Filter und Zellophan auf.
    Nachdem seine Gäste also Platz gefunden hatten, setzte sich Enrique auf seine Bettcouch, die gegenwärtig dank zweier länglicher, mit blauem Kord bezogener Schaumgummikissen Couchgestalt angenommen hatte. Sofort ging ihm auf, dass dies keine günstige Position war, weil er vor der Wahl stand, geradeaus auf Margaret zu schauen, die breitbeinig in seinem Regiestuhl saß, oder aber den Hals nach rechts zu verdrehen, um Bernard, den modernen Nikotinkomponisten, im Blick zu haben, denn sein Gesichtsfeld war nicht weit genug, um beide anzusehen und so sein wahres Interesse zu verbergen.
    Also erhob er sich erst einmal wieder. »Aschenbecher?«, fragte er, schob sich hinter Bernard durch und stieg die Stufe zum Küchenbereich hinauf. Er suchte den gläsernen Aschenbecher, den er bei Lamston’s, gleich um die Ecke an der Sixth Avenue, gekauft hatte. Er war stolz darauf, dass in seiner Wohnung alles neu war. Er mochte den Massivholzküchentisch, und sein langer Schreibtisch unter den beiden Fenstern zur lauten Eighth Street bot einer achtköpfigen Pokerrunde Platz. Er war begeistert von dem Farbfernseher, der zwischen Schreibtisch und Kamin stand, und genoss den Anblick der neuen, unbenutzten Töpfe und Pfannen, Utensilien, Teller und Schälchen in der Küche.
    Als er hinter dem einen Meter tiefen Wandvorsprung verschwand, auf dessen Rückseite sein Herd stand, fiel ihm ein,dass er ja Gastgeber war. »Möchte jemand was? Wein? Cola? Kaffee?« Und während er einen Blick auf seinen Mülleimer warf und abzuschätzen versuchte, was sich von dem chinesischen Fastfood und den dazugehörigen Gratisgaben noch retten ließ, setzte er skeptisch hinzu: »Tee?«
    »Bier«, sagte Bernard.
    »Bier«, wiederholte Enrique und machte den Kühlschrank auf. Er schaute hinein, obwohl er die Antwort schon wusste. »Sorry. Kein Bier. Wein?«, ergänzte er sein Angebot, da er eine Flasche Mateus besaß, einen billigen Wein, den Leute wie er schätzten, weil sich die unkonventionell geformte Flasche in einen Kerzenhalter umfunktionieren ließ, um dessen hängende Schultern das heruntergelaufene Wachs eine dicke Stola bildete.
    »Scotch«, sagte Bernard, als wäre die Sache damit geregelt.
    »Kein Scotch da, Bernard. Wie wär’s mit einem erstklassigen Mateus?«
    »Mateus?«, rief Margaret, und es war nicht klar, ob ihr Ton Verblüffung oder Verachtung ausdrückte.
    Enrique sah zu seinen Gästen hinüber und fragte Margaret, ob das heiße, sie wolle welchen. Beunruhigt bemerkte er, dass die blauäugige Schönheit das rechte Bein von der Armlehne genommen und sich um neunzig Grad nach links gedreht hatte, um seine Aktivitäten in der Küche verfolgen zu können, was hieß, dass ihr der Regiestuhl jetzt als eine Art unbequem aussehende Hängematte diente. Ihr Rücken lehnte nicht mehr an dem Segeltuchstreifen, sondern presste sich an die rechte Armstütze, was nicht ganz schmerzfrei sein konnte, obwohl die Fichtenholzkante durch ihre Daunenjacke abgepolstert war. Ihre Beine hingen über der linken Armlehne, so dass die schmalen Hüften genau auf ihn ausgerichtet waren. In seiner fiebrigen Phantasie bot sie sich ihm dar – wenn auch Bernard noch zwischen ihnen saß und Margarets Sitzhaltung durchaus auch als Einladung an ihn hätteverstehen können. Sie hob den rechten Arm, um sich beiläufig eine hübsche Kaskade schwarzer Kringellocken hinter das perfekt geformte Ohr zu stecken. Ihr Haar war überall glatt außer an den Schläfen, bemerkte er, war in weiblichen Dingen allerdings zu wenig beschlagen, um beurteilen zu können, ob das Natur war oder nicht. Als er das Mädchen dort sitzen sah, in dieser dem Design seines Stuhls trotzenden Pose, wusste Enrique plötzlich nicht mehr, was er sie hatte fragen
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