Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glitzerbarbie

Glitzerbarbie

Titel: Glitzerbarbie
Autoren: Steffi Wolff
Vom Netzwerk:
Ich warte nur auf den Tag, an dem ich von unserem Rundfunk-Intendanten offiziell vom Betriebsfest ausgeladen werde, um Brand oder Verlust von Menschenleben zu vermeiden. Ich weiß ehrlich nicht, woran das liegt.
     
    Marius findet einen Drombuschvögelabend auch gut. Ich rufe also Bob an und sage, dass er mit Zladko, unserem anderen Radiokollegen, vorbeikommen soll. Und weil ich gern viele Menschen um mich habe, rufe ich auch noch meinen Freund Gero an. Somit wären das dann drei Schwule, ein Transvestit und zwei Heteros. Fehlen nur noch Lesben. Ich könnte natürlich Iris anrufen, sie arbeitet als Prostituierte, aber auch in unserem Club, und ich weiß, dass sie heute Abend Dienst hat. Also rufe ich stattdessen Mausi an. Mausi ist eine Katastrophe, aber eine liebe. »Hellouuuuuu«, stöhnt sie ins Handy, um dann zu sagen, dass sie es »geilcool« findet, den Abend mit uns zu verbringen. Sie bringt dann ihren Freund mit, wenn das recht ist.
    Es ist recht. Little Joe mag ich wirklich, auch wenn er ein bisschen gestört ist mit seinem Spielzeugcolt und seinen Cowboystiefeln
und seinem komischen Rodeo-Bullen im Garten, von dem man einen Tritt in den Hintern oder einen in den Bauch bekommt, dass man einen doppelten Milzriss und eine Niere weniger hat oder sich die Blase durch den Druck plötzlich im Mund befindet. Aber Little Joe ist ein herzensguter Mensch. Außerdem ist er beim Finanzamt beschäftigt, was gar nicht zu ihm passt, und macht unseren ganzen Steuerkram. Kostenlos. Dafür muss ich ihn in unseren Radiowunschsendungen immer grüßen und er darf sich ein Countrylied wünschen.
     
    Also fahren wir alle zu uns nach Hause. Das hört sich herrlich an.
Zu uns nach Hause
. Dieser Satz ist wie Butter auf einer heißen Kartoffel.
Zu uns nach Hause
bedeutet Gemeinsamkeit, Zusammengehörigkeit, Beständigkeit. Jetzt werde ich wieder sentimental. Schnell an was Schlimmes denken. An mein Gewicht.
    Richard meint, er müsse noch ein paar tropfende Wasserhähne in unserer Wohnung reparieren, und macht sich mit einer Rohrzange ans Werk. Und ich gehe ins Wohnzimmer und suche schon mal die Videos raus. Wir haben immer noch nicht alles an Bildern und so aufgehängt, und ich muss erst mal den halben Schrank ausräumen und finde dabei einen alten herzförmigen Spiegel mit Goldrahmen, den ich auf den Boden lege. Im nächsten Moment erstarre ich zur Salzsäule. Ich knie auf dem Boden und schaue kopfüber in den Spiegel. Das bin nicht ich, die mich da anschaut, das ist ein verformter und zerlaufener, mit viel zu viel Öl gebackener Eierkuchen. Meine Wangen hängen meterweit runter und ich habe kein Doppel-, sondern ein Fünffachkinn. O mein Gott. Sehe ich auch so aus, wenn ich beim Sex mit Marius oben liege und ihn anlächle? Kein Wunder, dass der in solchen Momenten immer die Augen schließt. Ab sofort werde ich immer unten liegen und auch beim normalen Gehen darauf
achten, den Kopf immer ganz oben zu haben. Ich gehe zurück in die Küche.
    »Sag mal, Caro, was ist denn los?«, fragt Marius. »Hast du dir einen Zug geholt, oder was ist mit deinem Hals?«
    Ich drehe mich mit dem ganzen Körper zu ihm um. »Nichts, nichts«, sage ich. »Ich hab heute nur in einer Zeitung gelesen, dass es gut für die Wirbelsäule ist, den Kopf immer ganz hoch zu halten.«
    »Du siehst aus, als hätte dir jemand einen Stock in den Rücken gesteckt«, sagt Richard, der wieder in die Küche kommt. Ich senke den Kopf ein Stück weit runter, merke aber sofort, wie sich die Kinnmassen auf meinem Hals verteilen. Morgen kaufe ich mir Rollkragenpullover. Der Sommer ist schließlich bald vorbei.
     
    Bob, Zladko, Gero, Mausi und Little Joe kommen, und wir werfen den Videorecorder an. Bob ist besonders seriensüchtig.
    Mit seinem Serienwissen könnte er locker bei Thomas Gottschalk Wettkönig werden. Wenn Gottschalk fragen würde: »In einer Folge kommt Marion Drombusch in die Praxis ihres betrügerischen Lebensgefährten Peter Wolinski, um einen Schuldschein von ihm unterschreiben zu lassen. Welche Art Papier hat der Schuldschein, den sie ihm vor die Nase legt?«, würde Bob nicht einfach antworten: »Es war ein weißer DIN -A 5 -Block mit Karos ohne Rand«, nein, die Antwort sähe so aus: »Es war ein weißer DIN -A 5 -Block mit Karos ohne Rand, Papierstärke drei, und er hat mit einem schwarzen Eddingstift sein Schuldanerkenntnis draufgekritzelt, der Stift war oben schon von irgendeiner nervösen Natur angeknabbert. Hinter Peter Wolinski befand sich der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher