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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi
Autoren: Stefan König
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Licht ab.
    Er schaute in den Rückspiegel. Weit hinten sah er
ein Scheinwerferpaar. Wer auch immer darin saß, konnte nicht sehen, dass er ein
nacktes Mädchen bei sich im Auto hatte. Die Schülerin Carla, deren Haut er sah,
deren Körper er roch, die er vor Kurzem geliebt hatte, körperlich und zwei
Stunden lang, und deretwegen er am liebsten rechts herangefahren wäre und das
Gleiche noch einmal getan hätte.
    »So wäre ich immer für dich da«, sagte Carla. Und
sie strich ihm mit den Fingerspitzen über den Oberschenkel, ganz leicht nur und
ganz langsam. Vor und zurück und dabei seinem Schritt immer näher kommend.
    Einen Moment lang fragte sich Spiss, woher ein so
junges und bis vor nicht allzu langer Zeit zweifellos unerfahrenes Mädchen
derart viel sexuelles Selbstbewusstsein und so viel erotische Raffinesse nahm.
    »Du kleine, süße Hexe«, sagte er. Und er hatte
dabei Mühe, sich auf das Fahren zu konzentrieren. Er steuerte das Auto durch
die Kurven zwischen Gries und Wolf, sah schon die Lichter von Steinach.
    »Du musst dir wieder etwas anziehen«, sagte er zu
Carla. »Da vorn kommt Steinach, da ist um die Zeit noch alles hell erleuchtet.
Wenn dich jemand sieht …«
    »Und wenn schon«, sagte sie.
    »Wenn dich jemand so nackt sieht … So können wir
doch nicht durch die Gegend fahren …«
    »Dann fahr halt noch mal rechts ran«, sagte sie.
»Nur zehn Minuten. Bitte.«
    Wie ein schmollendes Kind, dachte Spiss. Wie ein
Kind, das im Supermarkt so lange quengelt, bis es endlich bekommt, was es will.
    Er sah wieder in den Rückspiegel. Da waren noch
immer die Scheinwerfer des Wagens, der eine ganze Weile schon in etwa gleichem
Abstand hinter ihnen fuhr.
    Er überlegte ein paar Sekunden lang, wo die
nächste Parkbucht oder wo eine Einfahrt in einen Waldweg wäre. Es erschien ihm
sehr verlockend, sein Glück der letzten Stunden um einige weitere Minuten zu
strecken, ihre Haut zu schmecken, ihre Haare zu riechen, sein Gesicht an ihre
kleinen, festen Brüste und in ihren flaumigen Schritt zu drücken.
    Wenn die Scheinwerfer nicht gewesen wären …
    Es irritierte ihn, dass ein Fahrzeug hinter ihnen
war. Dass es, sobald er verlangsamen und rechts ranfahren würde, an ihm
vorbeizöge. Und dass dann der Fahrer oder die Fahrerin und alle Insassen dieses
Wagens sehen würden, dass er, Spiss, mit einem splitternackten Mädchen durch
die Nacht fuhr.
    Er fasste nach ihrer Hand, schob sie sanft
beiseite, sagte: »Heute nicht mehr, kleiner Schatz«, und trat fester aufs Gas.
Was er gelernt hatte im Verlauf seines Lebens, war, dass man einen Genuss nicht
größer machen konnte, indem man ihn zu verlängern versuchte.
    »Wir kommen zu spät«, sagte er. Und er fingerte
den Mantel vom Rücksitz und gab ihn Carla. »Zieh dir wenigstens den über.«
    Er fuhr durch Steinach, schneller als erlaubt,
die hell erleuchtete Straße war leer – kein Wagen, kein Passant, nichts rührte
sich mehr. Nur weit hinter ihnen war weiterhin das Scheinwerferpaar zu sehen.
Natürlich hätte er nicht sagen können, ob es sich immer noch um dasselbe
Fahrzeug handelte. Und Carla bekam ohnehin von alldem nichts mit. Doch
irgendwie beunruhigte es ihn. Und so beschleunigte er am Ortsende von Steinach
stark und fuhr mit hoher Geschwindigkeit auf der langen Geraden nach Matrei.
    *
    Der fährt ja wie ein Verrückter, dachte
Tinhofer. Der Tacho seines Opels stieg auf hundert, hundertzehn,
hundertzwanzig.
    »Das ist doch Wahnsinn, bei diesem Sauwetter«,
maulte er vor sich hin. Sein Fahrzeug war bejahrt, der Motor röhrte laut bei
solch einer Geschwindigkeit, und der Scheibenwischer schmierte mehr, als dass
er reinigte.
    Wenigstens kommt kaum noch ein Fahrzeug entgegen,
dachte Tinhofer. Die Nässe, die schlechten Scheibenwischer – und wenn dann noch
der Gegenverkehr blendet …
    Die Kamera mit dem großen Tele hatte er neben
sich auf dem Beifahrersitz liegen. Eigentlich hätte er mit der Ausbeute des
Abends zufrieden sein können: Ein paarmal hatte er Spiss und das Mädchen zwar
nicht küssend, aber doch in traulicher Umarmung »erwischt«. Und doch war er
nicht sicher, ob die Bilder beim Entwickeln wirklich so viel zeigen würden, wie
er brauchte, um einen guten Schnitt zu machen.
    Er hoffte inständig, sie würden noch einmal wo
anhalten, aussteigen, sich küssen. Oder sie würden in eine Nebenstraße
hineinfahren und sich im Wagen befummeln. Er wagte gar nicht, darauf zu hoffen,
dass dies geschehen würde und er sich hinschleichen könnte und Fotos
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