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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman
Autoren: Charlotte Lyne
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Euch willkommen zu heißen.«
    Mary griff nach einem Marzipanwürfel, der mit kandierten Nusssplittern besetzt war. »Und welches Verhalten wird von mir erwartet?«, fragte sie.
    »Zeigt Euch am besten beglückt, Euer Vaterland wiederzusehen.« Da »Vaterland« kein klug gewähltes Wort war, fügte er eilig hinzu: »Und Euren Gatten, versteht sich. Den künftigen König.«
    Er wandte sich zur Stiege. Als Mary ihr Kleid raffte, um ihm folgen zu können, haftete der Stoff an ihren klebrigen Fingern. Burnet streckte ihr helfend die Rechte entgegen, und sie legte ihre verschmierte Hand hinein. Kühle schlug ihr entgegen, die Flussufer lagen im Nebel, und es stank.
    »Es besteht kein Grund zur Sorge«, murmelte Burnet. »Englandwill Euch, es öffnet Euch sein Herz. Mit Schottland mag es schwieriger werden, weil im Norden noch Wilde hausen, für die man sich schämt, ein Schotte zu sein. Aber das hat Zeit. Davon lasst Euch nicht den Tag vergällen.«
    Was redete der Mann? Wenn ihr schon England fremd war, was sollte sie Schottland scheren? Mary war nie in Schottland gewesen. Ihre Familie, die Stuarts, stammte zwar von dort – das hatte ihr Vater erzählt, als sie sein kleines Mädchen gewesen war und er sie im Schoß mit Naschwerk gefüttert hatte. Aber gemocht hatte der Vater die Schotten nicht.
    »Hinter der Biegung bekommt Ihr Greenwich zu sehen«, versprach Burnet. »Denkt daran: Man sollte erkennen, wie Ihr Euch freut.«
    Daran hielt sie sich. Lächelnd winkte sie, während ihr Schiff den Hafen anlief, sie jubelte, sobald sie ihren krummrückigen, hustenden Gatten erblickte, strahlte auf der Fahrt mit der Prunkbarke und ebenso, als sie den Palast von Whitehall erreichten. Dort begrüßte sie einen jeden überschwänglich, als erkenne sie ihn wieder, lief durch sämtliche Kammern des düsteren Gemäuers und zog mit entzückten Ausrufen Besitztümer aus Truhen und Schränken.
    Tage später kam ihr zu Ohren, dass die Londoner sie für ein Monstrum hielten, weil sie die Räume, aus denen ihr Vater bei Nacht und Nebel gehetzt worden war, so unbekümmert in Besitz genommen hatte. Wer derlei verbreitete, konnte nur ein verbohrter Schotte sein, schließlich hatte Mary nur getan, was man von ihr verlangte. Das hatte sie immer getan. Wer konnte von ihr erwarten, dass sie verstand, was sie tat?

1
    Das Tal im Schatten
    Achnacarry in Lochiel, April 1689
    Es war Frühling. Über Nacht waren die Knospen des Ginsters aufgeplatzt, und von den Wiesen drang ein Duft in das Haus aus Tannenstämmen, der trunken machte wie dreimal gebranntes Lebenswasser. Es war der Tag vor Beltane, und der alte MacIain hockte im Windfang von Achnacarry, dem Heim seines Freundes Ewen Cameron, hielt sich dicht bei der geöffneten Tür und sehnte sich nach seinem Haus. Die Weiber in seinem Tal würden den Fluss entlang vor den Häusern sitzen, Feuer schüren und Bannocks backen, runde Beltane-Kuchen, deren Würze die Lenden stärkte. Von hier bis nach Glencoe würde er selbst bei so klarem Wetter einen halben Tag lang reiten. Wenn er nicht bald aufbrach, käme er nicht mehr rechtzeitig zur großen Nacht, in der ein Mann Söhne zeugen konnte, die stark wie Stiere würden.
    Nicht dass der MacIain noch einen Sohn zu zeugen wünschte. Zwei hatte er, dazu den Schwiegersohn und mit Glück bald ein halbes Dutzend Enkelsöhne, das war an Stolz und Sorge genug. Seine Morag war über das Alter hinaus, in dem die Weiber Kinder empfingen, aber er sah sie noch immer gern an, wenn sie das weiße Arisaid, das Plaid der Hochlandherrin, trug, als könnten sie beide noch einmal ein Kind aus ihrem Blut spinnen. Nur sagte er ihr nichts davon, denn es bekam einer Ehe besser, wenn die Frau nicht alles wusste.
    Endlich kam sein Freund zurück: Ewen Cameron von Lochiel, der beste Freund, den er besaß. Nur einmal hatte der MacIain einen besseren gehabt, aber das war ein Lebensalter her.
    Unter den Chiefs in Lochaber war Lochiel der mächtigste,und wie die meisten Clans fügte sich auch der des MacIains in Glencoe seiner Weisung. Der Freund hatte den Krug mit französischem Wein aufgefüllt. Er trug Rock und Weste aus grüner Seide, silberne Knöpfe daran und den Bart höchst manierlich gekämmt, was den MacIain zum Lachen brachte. Dieses heute so geschniegelte Herrchen hatte in jungen Jahren einem Offizier Cromwells, der ihn entwaffnen wollte, die Kehle durchgebissen und war danach auf dessen Gaul entkommen. Dazu passte der feine Aufzug des Freundes so wenig wie die sorgenvolle
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