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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman
Autoren: Charlotte Lyne
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Essen war schaurig und erinnerte Sarah an aus Trögen gekratzte Reste. »Was ist mit denen aus Glencoe geworden?«, fragte sie.
    Die Tante seufzte. »Die haben deinen Unfug ausgenutzt, sind auf ihre Gäule und über alle Berge. John, der Tagedieb, hat sich den Goldtopf geschnappt, dabei hätte der uns notgetan und war bis obenhin voll. Die Alte war eine Spielerin vor dem Herrn, aber anders als ihr Sohn hat sie kaum verloren.«
    »Hieß der, der geworfen hat, denn John? Nein, er hieß doch Sandy Og, und er hat gesagt, der Onkel solle das Gold behalten, er wolle nur die Braut.«
    »John ist der Erstgeborene«, erwiderte die Tante und stützte den Kopf in die Hände, »der Erbe des alten MacIain. Du weißt ja, was über die geredet wird: Die stehlen unser Vieh, schneiden unsern Knechten die Ohren ab und singen dabei noch ihr verfluchtes Lied. Jetzt ist das Gold verloren, das deinem Onkel zugestanden hätte, und weißt du, wer daran schuld ist? Keine andere als deine Großmutter, die dem Pack aus Glencoe eine von uns als Braut versprochen hat!«
    »Die Großmutter hat das versprochen?«
    »In der Tat. John war schon verlobt, aber für Sandy Og hat sie’s dem MacIain zugesagt.«
    »Dann müssen wir ihm die Braut doch geben.«
    »Das entscheidet dein Onkel«, wies die Tante sie zurecht. »Wenn man mich fragt, kann Sandy Og mit der Braut zum Teufel gehen, dann hätten wir sie wenigstens vom Hals.«
    Sarah legte den Löffel beiseite. »Wer ist denn die Braut?«
    Die Tante stand auf, ging zum Wandarm und wärmte sich die Hände an der Flamme. »Du«, sagte sie.
    Sarah blieb nicht lange auf Meggernie, sondern wurde bald von Robs Knecht ins leere Haus der Großmutter gebracht. Ihr war es recht so. Sie fühlte sich wund und verstört, stopfte das offeneFenster der winzigen Kammer mit Wollzeug aus, damit der Wind nicht gar so gnadenlos ins Innere pfiff, und legte sich gleich schlafen.
    Sarah fror trotzdem, denn das Fenster hatte keine Laden, und kein Feuer hatte die Hütte an diesem Tag geheizt. Sie zog sich ein Fell bis an die Ohren und wickelte sich, so fest sie konnte, in ihr Plaid. Sie war nicht überrascht, als es am verstopften Fenster erst zu rascheln, dann zu kratzen begann, denn die Großmutter hatte ihr die alten Geschichten von Cumhaill erzählt, dem Vater des Riesen Finn, der die Druidentochter Muirne liebte und auszog, sie zu rauben, als ihre Hand ihm verwehrt wurde. Ist es denn möglich? Wählt einer mich zu seiner Muirne? Gibt es einen, dem ich wichtig bin?
    Sie zwang sich zur Ruhe, kroch aus dem Bett und steckte ihre Kerze an. Schlang das Tuch der Großmutter ums Hemd und richtete sich mit flinken Händen den Zopf. Kein Mensch hatte sie je hübsch genannt, aber sie hatte schönes Haar, dicht und kräftig, wenn auch von aschenem Blond. Ihre Schnallenschuhe, ein weiteres Erbe der Großmutter, sahen an ihren Füßen sehr ordentlich aus.
    Ein Hochländer, der kam, um seine Braut auf sein Pferd zu heben, sang ihr für gewöhnlich sein Werbelied, und wie keine anderen wurden die Männer aus Glencoe als Sänger geboren. Der Mann vor Sarahs Fenster aber sang nicht. Stattdessen schlug er Mauerwerk weg, da das Fenster für ihn zu klein war, um hindurchzuschlüpfen.
    Um ein Haar hätte Sarah gelacht. Bist du dumm?, wollte sie ihn fragen, warum bittest du mich nicht, dir die Tür aufzutun? Sie lachte trotzdem nicht, denn zu lachen fiel ihr nicht leicht, und sie sprach auch nicht, denn Sprechen fiel ihr nicht leichter.
    Als das Loch groß genug schien, zwängte der Mann Kopf und Schultern hindurch. Doch die Öffnung war immer noch nicht groß genug, und so blieb er stecken, ein Arm drinnen, ein Arm draußen. Jetzt hätte Sarah erst recht lachen sollen, aber inihr war kein Lachen. Der Mann klemmte fest wie im Schandbalken, rang und wand sich und litt wahrscheinlich Schmerzen. An seinem Hals klebte noch immer eine dünne Spur Blut, wo der Onkel ihn geschlagen hatte. Er wollte sprechen, öffnete zweimal den Mund, doch von den schnappenden Lippen kam kein Wort.
    Dem fällt das Sprechen noch schwerer als mir , erkannte Sarah. Sie ging zu ihm hin, legte ihm zwei Finger auf die Wange und strich daran hinab. Zart wie Kinderhaut. Nie zuvor ertastet. Hastig zog sie die Hand zurück und barg sie in der anderen.
    Er sah zu ihr auf. »Ich bin Sandy Og MacDonald aus Glencoe«, sagte er. »Sohn des MacIain, Bruder von John.«
    Sie nickte.
    »Ich will dich zur Frau.«
    Wieder nickte sie, sah, dass er in der Faust etwas umklammert hielt, das
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