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GLÄSERN (German Edition)

GLÄSERN (German Edition)

Titel: GLÄSERN (German Edition)
Autoren: Rona Walter
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Sandford sah mich unter triefenden Brauen hervor mürrisch an und ich beherrschte mich, um nur ja nicht zu lachen. Ihn hinein zu bitten, wollte mir beim Anblick seiner schlammüberzogenen Stiefel jedoch schwer fallen, hatte ich doch gerade erst die Halle säubern lassen. Sein Schnauben, das mir sogleich eine trübe Wasserfontäne ins Gesicht prustete, ließ mich allerdings in meiner Absicht wanken.
    »Tja, nun sind Sie ja endlich da«, murmelte ich und machte ihm etwas Platz. Er nickte knapp. Offensichtlich war er ein Mann sparsamer Worte. Falls er von den Ammenmärchen gehört hatte, die sie sich unten im Dorf über Amaranth Manor erzählten, schienen sie ihm nicht im Geringsten zu imponieren. Falls doch, ein ordentlicher Batzen Geld macht einen Menschen doch meist recht angstfrei. Außerdem konnte er mit seinem eigenen liederlichen Ruf doch ganz gut gegenhalten. Einer meiner Zockerfreunde unten im Pub erzählte mir eines Abends lediglich im Suff, welche Meinung die Dörfler über ein Schloss im Felsen haben, das irgendwo in Wales existieren soll. Während ich einem Saufbruder sein Geld aus der Börse stibitzte, welche er mir in seinem, an Besinnungslosigkeit grenzenden Rausch, nahezu in die Hand gekippt hatte, erzählte er mir gar Wahnwitziges von gemarterten Geistern und wütenden Gewächsen mit munterem Eigenleben und einer Handvoll verschwundener Jungfern. Bei dem Begriff einer solchen bin ich immer etwas skeptisch, vor allem, wenn es sich um unsere walisischen Nachbarn handelt …
    Jedoch erzählen sie oftmals voller Überzeugung auch solche Schauergeschichten über das Haus Amaranth. Nämlich betrittst du das Manor, hörst du im entlegensten Teil des Hauses trippelnde Schritte – wie die eines Kindes. Sie nähern sich dir erst zaghaft, dann flinker und immer rasanter, poltern über das Parkett, bis sie dich erreicht haben und du … von einem eisigen Hauch umweht wirst, als wärst du derjenige, der nicht dort ist. Beinahe eine schöne Gespenstergeschichte. Jedoch völliger Blödsinn. Abgesehen davon, dass jeder Flur und jeder Raum mit unanständig dicken Teppichen ausgelegt ist, hätte die Lady selbst jedem Spuk den Garaus gemacht, ohne mit der langen Wimper zu zucken. Und betreten hat das Manor übrigens noch nie eine einfache Seele aus dem Dorf.
    Der Lord trampelte in die große Eingangshalle. Die drei Öllampen auf den Sockeln zu seiner Rechten ließen seine Haut gebräunt und wie die eines Bauern aussehen. Er massierte sich demonstrativ die Waden in der ledernen Hose, die durch Schnüre gebunden wurde wie im finstersten Mittelalter. Ich konnte nicht verhindern, dass mein Mienenspiel noch eine Stufe abfälliger wurde. Sein gespielt arroganter Blick, mit dem er sich in der Halle umsah, machte seine Furcht und Unsicherheit umso ersichtlicher und ich konnte ein Grinsen nur mit Mühe zurückhalten.
    »Lord Sandford, Sie sind doch wohl kaum den beschwerlichen Aufstieg zu uns gegangen ? Mit all Ihrem Gepäck!«, bohrte ich nach.
    Sogleich nahm ich die beiden großen Lederkoffer auf und trug sie zum Fuß der Treppe. Den speckigen Lederbeutel auf seinem Rücken überließ er mir Gottlob nicht, folgte mir jedoch wortlos. Er putzte sich die triefende Nase an seinem Ärmel aus grobem Leinen ab und ich schauderte, als er damit nahe an meiner Weste hinter mir drein schlüpfte. Ich bestieg zielstrebig die große fächerartige Treppe in der Mitte des Foyers. Die Koffergriffe schnitten bereits in meine Finger.
    »Der vermaledeite Kutscher weigerte sich, mich bis zum Anwesen der Herrschaften zu bringen. Dabei hatte ich ihm zusätzlichen Lohn versprochen!«, erklärte Lord Sandford endlich mit gepresster Stimme.
    Ich schüttelte mit gespieltem Unwillen den Kopf. »Möge seine Leber verrotten. Sie haben ihn natürlich auch vor Reiseantritt bezahlt«, folgerte ich trocken.
    Er grunzte.
    »Und dieser vermaledeite Kutscher steckte es selbstverständlich schnellstens ein und ließ Sie Ihrer Wege gehen, nicht?«
    Ich blickte mich kurz zu ihm um. Er funkelte mich jetzt aus schmutzig-grauen Augen an, die mich an altes, gebrochenes Eis erinnerten. Gerade als er mich offensichtlich wenig geduldig und souverän an meine Stellung als Valet erinnern wollte, krächzte Jezabel und zeigte uns damit an, dass die Lady bereit war, den späten Gast zu empfangen.

    Staunend wie ein kleines Mädchen und triefend von grauem Regenwasser trottete er hinter mir drein und versuchte, im fahlen Schein der kleinen Wandleuchten die zahlreichen Portraits
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