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Girlfriend in a Coma

Girlfriend in a Coma

Titel: Girlfriend in a Coma
Autoren: Douglas Coupland
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erstarren, die eben noch warm gewesen waren, während wir unsere Reißverschlüsse zuzogen und auf Skiern die Pisten hinunter zu den Sessellifts sausten. »Hey, Richard, du Waschlappen wer zuerst da ist!«
    Karen und ich waren erhitzt und etwas verlegen. Wir fühlten uns verändert, mußten all diese neuen körperlichen Empfindungen erst mal verarbeiten - und dann fuhren wir wieder nach oben, den Berg hoch, in einem auf und ab hüpfenden Sessellift, der auf halber Höhe stehenblieb. Im gleichen Moment fingen auch die Bogenlampen an zu flimmern, dann flackerten sie und verloschen dann ganz. In der Dunkelheit über der unberührten Natur gefangen, schaukelten Karen und ich in der Luft, unsere Gesichter vom Mond jeansblau gefärbt. Karen zündete sich eine Number - 7-Zigarette an. Ihre geröteten, knochigen Wangen glühten rosa in der Hitze des Bic-Feuerzeugs, wie eine Puppe in einem brennenden Puppenhaus. Mein Arm lag um ihre Schultern, wir beide fühlten uns sicher, als wären wir ein eigenständiges, in sich geschlossenes Sonnensystem, das da am Himmel baumelte, warme, erhitzte Planeten innerhalb eines Sternenuniversums.
    Ich fragte Karen, die ebenfalls gerade die Tragweite dessen, was wir eben zusammen im Wald getan hatten, zu begreifen versuchte, ob sie glücklich sei. Jemandem diese Frage zu stellen, ist, wie ich inzwischen herausgefunden habe, niemals eine gute Idee. Doch Karen lächelte, kicherte und blies seidigen Rauch in die tiefblaue Dunkelheit. Ich mußte an Juwelen denken, die über dem Marianengraben von einem Ozeandampfer geworfen wurden und für immer im Meer versanken. Dann wandte sie den Kopf ab und schaute in den Wald, der zur Rechten lag. Die Bäume waren für uns beide in all dem Schwarz nur als noch dunklerer Farbton zu erkennen. Ich merkte, daß sie plötzlich irgend etwas hatte, als wäre sie ein Buch, in dem ich las, aus dem jedoch fieserweise jemand Seiten herausgerissen hatte. Ihre kleinen Zähne bissen auf ihre Unterlippe, und ihre Augenbrauen senkten sich. Ein leises Zucken durchlief sie, als hätte sie versucht, ihren Honda Civic mit ihrem Hausschlüssel anzulassen. Ganz langsam wurde mir klar: Karen war schon den ganzen Nachmittag und Abend irgendwie durch den Wind gewesen. Voller Begeisterung hatte sie sich mit den Worten »Ach, was für ein wunderhübsches ...« auf so alberne Sachen gestürzt wie das olivfarbene Wählscheibentelefon in der Küche meiner Eltern oder einen Strauß kümmerlicher Gladiolen auf dem Küchentisch und war dann mitten im Satz verstummt. Außerdem hatte sie den ganzen Tag den Himmel und die Wolken betrachtet - nicht nur hin und wieder mal einen Blick geworfen, sondern sie war stehengeblieben und hatte nach oben gestarrt wie auf eine Kinoleinwand. Karens Rücken bog sich kaum merklich, und ihre Gesichtszüge wurden ein wenig starr. Ich fragte: »Was ist los, Hase bereust du's? Du weißt doch, was ich für dich empfinde.« Und sie sagte: »Ach, Richard. Ich liebe dich ja auch du Dussel. Alles in Ordnung. Beb, ehrlich. Mir ist bloß kalt. Und ich will, daß das Licht wieder angeht. Und zwar schnell.« Sie nannte mich »Beb«, eine flapsige Kurzform von »Babe«.
    Die Dunkelheit machte ihr Angst. Sie schob meine wollene Skimütze hoch und küßte mein wächsernes, kaltes Ohr. Da hielt ich sie fester und fragte sie noch einmal, was los sei, denn irgend etwas stimmte nicht mit ihr. Sie sagte: »Ich habe in letzter Zeit so merkwürdige Sachen geträumt, Richard. Das war so real... Ich schätze, aus meinem Mund klingt das ziemlich dämlich, oder? Vergiß es lieber.« Karen schüttelte den Kopf und stieß ein Wölkchen Tabakrauch aus, das sich wie ein Spinnennetz vor der dunklen Nacht ausbreitete. Sie starrte die stalagmitförmigen Stützen des Sessellifts an, die es nicht fertigbrachten, die Hänge mit einer Sonne aus Menschenhand zu beleuchten. Dann wechselte sie das Thema: »Hast du vorhin Donna Kilbrucks Hose gesehen? Mein Gott - so was von eng - im Schritt sah sie aus wie ein Walroß. Schrecklich. Lieber nicht mehr dran denken.«
    »Hey, Beb, lenk nicht ab. Erzähl schon«, sagte ich unvermutet barsch. Ich war wütend auf mich selbst, ich war im Begriff, erwachsen zu werden, und hatte das Stadium erreicht, wo schlaue Sprüche allein nicht mehr genug Substanz hatten, um ein Gespräch in Gang zu halten. Karen und ich führten selten Gespräche von echter Tiefe. Am ehesten kam es noch zu einem ernsthaften Gedankenaustausch, wenn wir zu mehreren bekifft
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