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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth
Autoren: Love Pray Eat
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gemeinsame
Erwartung herum aufgebaut, dass ich, wenn ich nach Überschreiten des hohen
Alters von dreißig zu vertrotteln begänne, auch den Wunsch hegen würde, sesshaft
zu werden und Kinder zu kriegen. Dann, so sahen wir gemeinsam voraus, würde ich
das Reisen endlich satt haben und froh sein, in einem großen geschäftigen
Haushalt voller Kinder und selbst genähter Quilts zu leben, mit Garten hinterm
Haus und köchelndem Eintopf auf dem Herd. (Die Tatsache, dass dies ein ziemlich
zutreffendes Porträt meiner eigenen Mutter war, ist vielleicht ein Indiz dafür,
wie schwer es mir damals fiel, zwischen mir und der mächtigen Frau, die mich
aufgezogen hatte, zu unterscheiden.) Doch da ich entsetzliche Angst hatte, es
herauszufinden, wünschte ich mir nichts von alledem. Stattdessen hing der
immer näher rückende dreißigste Geburtstag wie ein Damoklesschwert über mir,
und ich merkte, dass ich wirklich nicht schwanger werden wollte. Ich wartete
darauf, mir endlich ein Baby zu wünschen, aber es geschah einfach nicht. Und
ich weiß, wie es ist, wenn man sich etwas wünscht - das dürfen Sie mir glauben.
Ich weiß genau, wie sich ein echter Wunsch anfühlt. Aber es gab keinen. Und zudem
musste ich ständig daran denken, was meine Schwester mir einmal gesagt hatte,
als sie ihren Erstgeborenen stillte: »Ein Kind zu kriegen ist ungefähr so, als
ließe man sich im Gesicht tätowieren. Man muss sich wirklich sicher sein, dass
man es will.«
    Aber wie konnte ich jetzt noch einen Rückzieher machen?
Alles war bereit. In diesem Jahr sollte es passieren. Ja, wir versuchten sogar
schon seit einigen Monaten, schwanger zu werden. Doch nichts war geschehen
(abgesehen von der Tatsache, dass ich - einer Schwangerschaft geradezu
hohnsprechend - unter psychosomatisch bedingter Morgenübelkeit litt und mich
täglich vor dem Frühstück erbrach). Und jeden Monat, wenn ich meine Periode
kriegte, ertappte ich mich dabei, wie ich heimlich im Bad vor mich hin flüsterte: Danke, danke, danke, danke, dass du mich noch einen Monat leben
lässt ...
    Alle Frauen - beschloss ich - mussten sich so fühlen, wenn
sie versuchten, schwanger zu werden. Ich redete mir ein, daß meine Gefühle
völlig normal waren, trotz aller Beweise des Gegenteils - wie mir etwa die
Bekannte vor Augen führte, die ich zufällig traf und die gerade erfahren hatte,
dass sie, zum ersten Mal seit zwei Jahren und nachdem sie ein Vermögen für
Fruchtbarkeitsbehandlungen ausgegeben hatte, schwanger war. Sie war völlig
ekstatisch. Sie habe, erzählte sie mir, schon seit einer Ewigkeit Mutter werden
wollen. Und sie gestand, dass sie insgeheim schon seit Jahren Babykleidung
kaufte und sie unter ihrem Bett versteckte, damit ihr Mann sie nicht fände. Ich
sah die Freude in ihren Augen und erkannte sie wieder. Das war genau die
Freude, die ein Jahr zuvor aus meinen Augen geleuchtet hatte, als ich erfuhr,
dass die Zeitschrift, für die ich damals arbeitete, mich beauftragen wollte,
nach Neuseeland zu reisen, um einen Artikel über die Suche nach
Riesentintenfischen zu schreiben. Und ich dachte mir: Solange ich beim Gedanken
an ein Baby nicht genauso verzückt bin wie bei der Vorstellung, nach Neuseeland
zu fliegen, um einen Riesentintenfisch zu suchen, solange kann ich kein Kind
kriegen.
    Ich will nicht mehr verheiratet sein.
    Am helllichten Tag wies ich diese Vorstellung zurück,
nachts aber verzehrte sie mich. Was für eine Katastrophe! Was für eine geradezu
verbrecherisch dumme Kuh war ich, mich so weit in eine Ehe hineinzubegeben, nur
um mich dann davonzumachen? Wir hatten dieses Haus doch erst vor einem Jahr
gekauft! Hatte ich mir dieses schöne Haus nicht gewünscht? Hatte es mir nicht
gefallen? Warum also irrte ich nun Nacht für Nacht und heulend wie Medea durch
seine Korridore? War ich nicht stolz auf all das, was wir angehäuft hatten -
das prestigeträchtige Heim im Hudson Valley, die Wohnung in Manhattan, die acht
Telefonanschlüsse, die Freunde und die Picknicks und die Partys, die Wochenenden,
die wir damit verbrachten, durch irgendwelche schachtelförmigen Supermärkte
unserer Wahl zu streifen und immer mehr Geräte auf Kredit zu kaufen? Ich hatte
mich jeden einzelnen Augenblick aktiv am Aufbau unseres gemeinsamen Lebens
beteiligt - warum also hatte ich das Gefühl, dass nichts davon mit mir zu tun
hatte? Warum fühlte ich mich so überwältigt von Pflichten, hatte ich es so
satt, Brotverdienerin und Putzfrau, Organisatorin von Geselligkeit und
Gassi-Geherin,
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