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Giftspur

Giftspur

Titel: Giftspur
Autoren: Daniel Holbe
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Hätte Heiko vor ihrer Tür gestanden, sie wäre prompt darauf reingefallen.
    Sehr überzeugend.
    »Hä?«
    »Schultz von den Stadtwerken. Bitte machen Sie auf«, forderte er, diesmal mit etwas mehr Elan. Eine Türkette rasselte, dann öffnete sich ein schmaler Spalt. Dahinter zeigte sich ein unrasierter Mann in gebückter Haltung, dessen muskulöser Oberkörper aus einem Unterhemd quoll. Ungepflegte Zehennägel lugten unter der schlaff hängenden Jogginghose hervor.
    Dann ging alles ganz schnell. Sabine drang mit ihrer Pistole im Anschlag in die Wohnung ein, durchforstete das im Halbdunkel liegende, nach kaltem Zigarettenrauch stinkende Innere, während im Flur Heiko Schultz den Überrumpelten über dessen Verhaftung informierte. Handschellen rasselten, doch es klang nicht nach erbitterter Gegenwehr.
    »Ihr tickt ja wohl nicht richtig«, hörte Sabine, gerade als sie das Schlafzimmer betrat. Dort richtete sich erschrocken ein zweiter Mann auf, er war nur mit einer Unterhose bekleidet und wand sich aus dem zerwühlten Laken, das nicht wenige Brandlöcher aufwies und vermutlich seit Wochen nicht gewechselt worden war. Bevor er begriff, was geschah, drängte ihn Sabine auch schon in Richtung Wand. Eine Leibesvisitation konnte sie sich sparen, denn die knapp sitzende Unterhose verbarg unter Garantie keine tödliche Waffe oder sonst etwas von bedrohlicher Größe.
    »Ziehen Sie sich etwas an«, stieß die Kommissarin hervor, »aber ich warne Sie! Keine Tricks, meine Mündung zielt direkt auf Ihre Hühnerbrust.«
    »Einen Scheiß werd ich.« Es war mehr ein trotziges Knurren, aus dem kaum Angriffslust sprach. Sabine schaltete das Licht an, und sofort hob der Junge geblendet die Arme vors Gesicht.
    »Schalten Sie die Funzel aus.«
    »Werde ich nicht. Ziehen Sie sich nun an, oder sollen wir Sie halbnackt aus dem Haus schleifen?«
    »Ihr könnt mir gar nichts«, wehrte er sich weiter, doch Sabine unterbrach ihn harsch.
    »Sie werden beschuldigt, an einem Einbruch beteiligt gewesen zu sein, infolgedessen ein Mann starb. Heilsberg, letzten Donnerstag, klingelt da was? Ich verhafte Sie wegen des dringenden Tatverdachts, und zwar wegen Mordes.«
    »Das können Sie mir nicht beweisen!«, spie der Junge aus. Er fröstelte und angelte sich eine Hose und einen Kapuzenpullover, in die er nacheinander hineinschlüpfte.
    »Wir werden sehen. Rumdrehen jetzt bitte und Hände auf den Rücken.« Sabine presste sich mit voller Kraft gegen den einen Kopf größeren, schlaksigen Körper. Beißender Schweißgeruch stieg ihr in die Nase, als sie die Handschellen um seine Handgelenke schloss. »Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern. Alles, was Sie von nun an sagen, kann gegen Sie verwendet werden.«
    Sie trat einen Schritt zurück, zuckte dann zusammen und erstarrte wie eine Salzsäule.
    Ein Schuss.
Verdammt.
Draußen war ein Schuss gefallen!
    Sabine Kaufmann packte den Mann am Schlafittchen und trieb ihn vor sich her in Richtung Ausgang. Vor ihren Augen spielte sich eine Action-Sequenz nach der anderen ab,
Stirb langsam, Lethal Weapon, Departed
 … Bilder, wie man sie zwangsläufig kannte, wenn der Lebensgefährte auf Actionfilme und Popcornkino stand. Die meisten Szenarien endeten mit einem blutüberströmten Bösewicht, der seinen letzten Atemzug aushauchte. Doch im heutigen Drehbuch war kein Happy End vorgesehen.
    Auf dem mit Flecken übersäten, zerschlissenen Teppichboden, die Schuhe noch auf dem Fußabtreter liegend, lag Heiko Schultz. Sabine schluckte. An seinem Kopf kniete Petra. Sie brauchte nichts zu erklären, Sabine zählte eins und eins zusammen. Die Wunde, die auf der Brust des massigen Körpers klaffte, stieß pulsierende Schwalle hellroten Blutes aus. Petras Hand lag darauf gepresst, vermochte aber die Kaskaden nicht zu stoppen. Nur sanft hob und senkte sich Heikos Brustkorb, die Pausen zwischen zwei Atemzügen wurden immer länger.
    »Ein Messer«, wisperte Petra tonlos.
    Sabine schluckte schwer, als sie sich hinabbeugte. Nur verwaschen nahm sie wahr, wie einer der Kollegen sich ihres Verhafteten annahm und Petras Stimme mit desperater Hysterie nach einem Notarzt verlangte. Aus den Augenwinkeln erkannte sie außerdem einen weiteren Körper, es handelte sich vermutlich um den Messerstecher, niedergestreckt von der Dienstwaffe eines Kollegen. Zu spät, wie eine innere Stimme grausam schrie. Aus den benachbarten Wohnungen strömten Schaulustige, das Stimmengewirr wogte auf und ebbte ab, doch all das war nur die grausame
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