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Giftspur

Giftspur

Titel: Giftspur
Autoren: Daniel Holbe
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hatte folgen sollen, war Sabine neunmal von ihrem Handy gestört worden. Es gab zwar kaum Neuigkeiten über die suspekte Schießerei, und auch der Mord in ihrer Nachbarschaft erwies sich als eine von Sackgassen geprägte Ermittlung; doch sie war nun mal die einzige Ansprechpartnerin vor Ort beim neu ins Leben gerufenen K 10 , wie sich das hiesige Morddezernat nannte.
    Zwei Wochen noch.
    Dann sollte der neue Kollege aufschlagen, ein Ermittler aus Gießen, von dem die Kommissarin bis dato kaum etwas wusste. Doch für solche gedanklichen Ausflüge hatte sie ohnehin keine Zeit. Sabine hatte ihren Dienst am ersten Januar begonnen, und es war ihr weder bei ihrer kurzen Stippvisite zwischen den Jahren noch an ihrem ersten Dienst-Tag, einem Mittwoch, entgangen, dass man sie in der Polizeistation höchst argwöhnisch beäugte.
    Die Neue, die Großstadttussi, dieser blonde Hüpfer mit den Allmachtsphantasien.
    Zugegeben, niemand sagte etwas, aber Sabine Kaufmann wäre eine schlechte Kriminalbeamtin, wenn sie nicht die typischen Gesichtsausdrücke decodieren könnte. Schiefes Grinsen, plötzliches, betretenes Schweigen, Tuscheln – sie hatte dieses Machoverhalten bereits bei der Sitte kennengelernt. Immun dagegen war sie allerdings nicht.
    Konrad Möbs, der Dienststellenleiter, der seinem Ruf nach so etwas wie der Fels in der Brandung sein musste, leitete die Bad Vilbeler Polizeiwache seit über zwanzig Jahren. Anstatt viele Worte zu machen, hatte er den anwesenden Kollegen Sabine kurz vorgestellt und sie im Anschluss ein wenig hilflos im Raum stehen lassen. Später hatte er sie noch einmal aufgesucht und ihr zu verstehen gegeben, dass, wenn sie etwas brauche, nicht bei ihm, sondern gleich in der Kreisstadt Friedberg anfragen müsse. Für ausufernde Ermittlungsarbeiten fehlten schlicht und ergreifend die Mittel. Das Experiment K 10 sei ohnehin ein fragwürdiges Unterfangen, schloss er unmissverständlich.
    Bis auf einen jungen Polizeibeamten waren alle Kollegen älter, und es gab keine weitere Ermittlerin. Sabine war ausgezogen, um die Bad Vilbeler Gewaltverbrecher das Fürchten zu lehren. Doch Punkt eins der Tagesordnung war eine unsichtbare Barriere, die zwischen ihr und einer angestaubten Männerdomäne stand. Diese galt es niederzubrechen – oder abzubauen, und das sah nicht besonders vielversprechend aus für eine Frau, die schon äußerlich weitaus zarter gebaut war als sämtliche ihrer Gegner. Von ihrem Innenleben bekam zum Glück keiner etwas mit.
    Sabine schaltete den PC ein und öffnete während des Hochfahrens das Fenster ihres kleinen Büros, in dem zwei Schreibtische einander gegenüberstanden, einer davon leer. Die strahlende Wintersonne hatte sich längst wieder hinter dem seit Monaten vorherrschenden Grau verborgen, und wenn man dem Wetterbericht Glauben schenkte, würde der Frühling noch sehr lange auf sich warten lassen. Irgendwie kein Wunder, nachdem der Sommer 2012 bereits so aus dem Ruder gelaufen war.
    Die Klimaveränderung?
    Es gibt also doch einen Zusammenhang,
dachte Sabine bissig. Seit dem spektakulären Ende der Laufbahn eines berühmten Meteorologen spielte das Wetter verrückt.
    Fakt war, dass der Mangel an Sonne selbst die fröhlichsten Gemüter in Depressionen zu stürzen drohte. Und Sabine zählte sich momentan gerade nicht zur Gruppe der Frohgelaunten.
    Noch bevor sie die Kaffeemaschine darauf vorbereiten konnte, ihre Produktion schwarzen Goldes aufzunehmen, meldete sich das Telefon. Es war Möbs, was sie etwas irritierte, denn er saß kaum zehn Meter entfernt von ihrem Büro, und ein wenig Bewegung hätte seiner Konstitution sicherlich nicht geschadet.
    »Es gibt Arbeit im Ballermann-Fall«, eröffnete er ihr.
    »Hervorragend«, erwiderte sie halbernst, »und welcher Art?«
    »Es gibt augenscheinlich einen Zusammenhang zwischen den Schüssen und dem Heilsberg-Mord.«
    »Oha!« Sabine wurde hellhörig, und ihre Gedanken begannen zu rasen. »Ich bin ganz Ohr«, fügte sie hinzu und griff sich Stift und Papier.
    »Gestern Abend ist ein junger Mann dabei gesehen worden, wie er eine Waffe in der Nidda entsorgt hat. Ein Schrebergärtner hat ihn beobachtet und bis zu seinem Auto verfolgt.« Möbs lachte kurz auf. »Da soll mal einer sagen, es gebe keine Zivilcourage mehr unter den Menschen. Aber ich erspare Ihnen die Details. Die Halterabfrage führte zu einem Treffer, eine halbe Stunde später war der Kleine dingfest.«
    »Hm. Der
Kleine?
«
    »Er ist gerade siebzehn, ein Milchbubi«, erklärte
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