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Gewitterstille

Gewitterstille

Titel: Gewitterstille
Autoren: Sandra Gladow
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es schließlich auch noch für eine Rolle?
    Anna lief zurück in den Eingangsbereich, von dem links die Tür zu Sophies kleiner Wohnung abging. Die dröhnende Musik, die in den Flur drang, war ein untrügliches Zeichen dafür, dass Sophie zu Hause war. Anna klopfte mehrfach, es rührte sich aber nichts. Sie rief Sophies Namen und hämmerte mit beiden Fäusten gegen die Tür, bevor sie sich entschloss, unaufgefordert einzutreten. Die Tür war nicht verriegelt. Sophie lag ausgestreckt auf ihrem Bett. Sie sah sich die Aufzeichnung einer Folge von »Popstars« an. Mehrere Teenager rockten in zuckenden Bewegungen über die Bühne. »Hallo!« Anna ging zum Apparat und drehte ihn leiser.
    »Kannst du nicht anklopfen?«, maulte Sophie.
    »Anklopfen? Ich bin gerade mit einem Bulldozer gegen deine Tür gefahren, ohne dir eine Reaktion zu entlocken.«
    Sophie war anzusehen, dass sie eigentlich keine Lust hatte, sich mit Anna zu unterhalten. Sie war noch im Schlaf anzug. Rund um ihr Bett und auf ihrem Rollstuhl türmten sich ihre Klamotten, und die Türen ihres unaufgeräumten Kleiderschranks standen offen. Anna verkniff sich einen Kommentar. Stattdessen ging sie zum Fenster hinüber und öffnete es.
    »Hier ist ja eine Luft wie im Affenhaus. Willst du nicht mal aufstehen? Du könntest rüberkommen, und wir essen ein paar Erdbeeren mit Milch.«
    Sophie stützte sich auf ihre Hände und schob sich mühsam gegen die Rückwand ihres Bettes, um sich aufzusetzen. Sie strich sich ihre störrischen Locken aus dem Gesicht und blickte Anna mürrisch an. Anna musste grinsen.
    »Du siehst aus wie ein Hippie«, frotzelte sie.
    »Es ist Samstag, ich will das sehen.« Sie deutete auf den Bildschirm, auf dem sich die Kandidaten beim Tanzen krümmten, als litten sie an schmerzhaften Magenkrämpfen. Anna war selbst ein wenig erstaunt darüber, dass sie sich mit Mitte dreißig schon Lichtjahre von dieser Generation entfernt fühlte.
    »Natürlich ist Samstag. Aber es ist auch nach zwölf. Eine durchaus akzeptable Zeit, um aufzustehen – finde ich jedenfalls.«
    Sophie verdrehte die Augen und gähnte.
    Anna spürte, dass Sophie sich bevormundet fühlte, und bekam ein schlechtes Gewissen. Ich sollte mir wirklich abgewöhnen, mich wie ihre Mutter aufzuführen, dachte sie. Immerhin hatte sie selbst als Teenager gern am Wochen ende den ganzen Tag im Bett herumgelungert und ebenso wie Sophie keinerlei Mühe gehabt, vierzehn Stunden am Stück zu schlafen.
    »Ich wollte nur sagen, dass wir uns freuen würden, wenn du uns Gesellschaft leistest.«
    Sophie schien über Annas Angebot nachzudenken, und beide verfolgten für einen Moment das Treiben auf dem Bildschirm.
    »Weißt du, was ich nicht verstehe?«, fragte Anna. »Warum die Jungs Hosen tragen, die aussehen, als hätten sie eine dicke Windel drunter an.«
    Über Sophies Gesicht huschte ein Grinsen.
    »Also, wenn du mich fragst«, fuhr Anna fort, »es sieht total beknackt aus.«
    »Ich find es cool.«
    »Georg hat übrigens eine Küche für Emily gekauft. Emily hat gleich eine Menükarte kaputtgemacht.«
    Sophie grinste. Sie liebte Emily, und Emily liebte Sophie. Anna war froh, dass sich das Mädchen bei Emily die Streicheleinheiten abholte, die es so dringend brauchte.
    »Was, zum Teufel, soll Emily jetzt schon mit einer Küche?«
    »Eine hervorragende Frage«, lobte Anna. »Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mich darin unterstützen würdest, Georg dazu zu überreden, das – übrigens lilafarbene – Monstrum für die sagen wir mal nächsten eineinhalb Jahre mit nach Hause zu nehmen.«
    Sophie lächelte. Anna wusste, dass sie es genoss, wenn Anna sie in ihren Neckereien mit Georg zu einer Verbündeten machte.
    »Was krieg ich dafür, wenn ich Georg überrede?«
    Anna ließ ihren Blick über die mit Andy-Warhol-Dru cken gepflasterten Wände schweifen, während sie nach dachte.
    »Zunächst mal Erdbeeren mit Milch!«

2. Kapitel
    I m Keller war nichts zu finden gewesen. Er musste sich beeilen. Die ausziehbare Treppe, die auf den Dachboden führte, krachte mit einer Wucht herunter, dass er zusammenzuckte. Mit zittrigen Fingern legte er den Zugstab zur Seite und hielt einen Moment lang inne. Er lauschte angespannt, vernahm jedoch nichts außer dem heftigen Pochen seines Herzens. Er atmete auf. Die Hitze schlug ihm entgegen, als er den oberen Treppenabsatz passierte, und der Staub kroch ihm in Mund und Nase, was die Trockenheit in seiner Kehle noch unerträglicher machte. Er verspürte eine unbändige
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