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Gestatten, dass ich sitzen bleibe: Mein Leben (German Edition)

Gestatten, dass ich sitzen bleibe: Mein Leben (German Edition)

Titel: Gestatten, dass ich sitzen bleibe: Mein Leben (German Edition)
Autoren: Udo Reiter
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Dabei bin ich auf eine Überlegung gestoßen, die nichts entschuldigen soll, aber vielleicht doch das eine oder andere erklären kann:
    In den Aufbaujahren des MDR war unsere Arbeitsweise zwangsläufig von Improvisation und unkonventionellen Methoden und Entscheidungen geprägt. Anders wäre ein solcher Aufbau in so kurzer Zeit nie möglich gewesen. In dieser Phase hatte die Programmarbeit absolute Priorität. Wir haben fieberhaft nach Redakteuren und Programmmachern gesucht und waren froh um jeden, der kam und mitgemacht hat. Und wir mussten unter dem Druck der Verhältnisse damals auch ständig Entscheidungen treffen, die aus dem Blickwinkel einer geordneten Verwaltung sicher alles andere als mustergültig waren. Wir konnten damals nur Erfolg haben, weil wir unkonventionell waren und uns über viele bürokratischen Regelungen der alten Anstalten einfach hinweggesetzt haben. Wir haben Entscheidungen auf dem Korridor getroffen, für die man in der ARD heute drei Hauptversammlungen braucht.
    Nun kann man zu Recht einwenden, damals mag das ja nötig und richtig gewesen sein, aber mittlerweile sind zwanzig Jahre vergangen. Das stimmt natürlich. Und wir haben inzwischen auch eine Revisionsabteilung und Finanzcontroller und funktionierende Gremien und alles, was dazu gehört. Aber richtig ist möglicherweise auch, dass dieser Pioniergeist und diese Aufbruchstimmung von damals, der »Rausch der Anfangsjahre«, wie die »Sächsische Zeitung« es einmal genannt hat, bei uns immer noch irgendwie da war, stärker jedenfalls als bei anderen Sendern, und das Handeln einiger weniger Leute noch immer mehr geprägt hat, als es für eine geordnete Bürokratie gut ist.
    Ich habe wohl zu wenig darauf geachtet, dass die Zeit für diese Pionierstimmung vorbei war und dass inzwischen Regeln und Dienstanweisungen absolut
     verbindlich sind, im Zweifelsfall wichtiger als der Programmerfolg. Dass es bei Foht, einem Mann der allerersten Stunde, anders lief,dass er mit seinen
     Sendungen enormen Erfolg hatte, aber sich ganz offensichtlich über alle Anweisungen und Regelungen hinwegsetzte, war das Problem. Meine Nachfolgerin, die
     schon immer ein schärferes Controlling auch gegenüber den »Kreativen« angemahnt hatte, schlägt hier zu Recht einen anderen Kurs ein. Hier muss man
     gegensteuern und darf auch anfallende Kosten nicht scheuen. Bisher hatte der MDR unter allen ARD-Anstalten, was sicher kein Zufall war, die niedrigsten
     Verwaltungskosten. Das half uns aber nichts. Man wird auch hier mit den anderen gleichziehen und all die verwaltungstechnischen und bürokratischen
     Hemmschwellen einziehen müssen, ohne die es heute nicht geht.

»Reiter feuert Merkel«
    Der »krisengeschüttelte Mitteldeutsche Rundfunk« hat neben den Krisen auch Programm produziert. Gar nicht so wenig: 168 Stunden pro Woche MDR-Fernsehen, rund 14 Prozent Anteil am Ersten, vier zentrale Hörfunkprogramme, drei Radio-Regionalprogramme und ein programmübergreifendes Online-Angebot. Alles gern und viel genutzt. Ein paar Angebote ragten 2010 besonders heraus: »Kulturbrücke Kaliningrad« – unter diesem Titel lief im Januar eine Programmwoche zur deutsch-russischen Versöhnung mit besonderem Blickpunkt auf Königsberg/Kaliningrad. Höhepunkt dieser Woche war ein Konzert des MDR-Symphonieorchesters im Königsberger Dom, der gerade mit deutschen und russischen Spendengeldern wiederaufgebaut worden war. Der Besuch in Kaliningrad war eine ebenso komplizierte wie eindrucksvolle Reise. Die Instrumente und die Übertragungstechnik wurden auf dem Landweg durch den eisigen russischen Winter über unsichereStraßen und Grenzen nach Königsberg gebracht. Das Orchester und die Ehrengäste, darunter Ministerpräsident Wolfgang Böhmer aus Sachsen-Anhalt, flogen mit einer Sondermaschine der Air Berlin. Der Hinflug war normal, aber dann stand die Maschine drei Tage im Königsberger Frost und musste für den Rückflug mühsam aufgetaut werden. Die Fluggäste auch, nachdem sie stundenlang bei minus zwanzig Grad auf dem ungeheizten Flughafen warten mussten. Aber das Konzert hat für alles entschädigt. Es war der erste Auftritt eines deutschen Orchesters nach dem Krieg in Königsberg, in dem Dom, in dem einst Immanuel Kant getauft wurde. Das Konzert mit dem russischen Organisten Artjom Chatschaturow wurde live im MDR-Hörfunk und einen Tag später im MDR-Fernsehen übertragen. Ministerpräsident Böhmer hielt eine kluge Rede mit russischen Einlagen, Victoria Herrmann
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