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Gesichter: Roman (German Edition)

Gesichter: Roman (German Edition)

Titel: Gesichter: Roman (German Edition)
Autoren: Andreas Schäfer
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Schultern und Oberarme fast schwarz hervorsehen – sie hatte diesen Sommer nicht nur ihre pastellfarbenen Shirts gegen die zeitlose Kluft der Hippies getauscht, ihr Gang hatte auch etwas irritierend Frauliches bekommen.
    »Gab nur Bananen«, sagte er.
    »Keine Pfirsiche?«
    »Nur Bananen, leider.« Die Enttäuschung machte aus seiner vierzehnjährigen Tochter wieder ein hilfloses Mädchen. »Kein Wunder, dass du k.   o. bist. Ich hab’s genau gehört. Es war nach eins.« Wortlos wandte sie sich ab. »Warum hast du ihn uns nicht mal vorgestellt?«, rief er ihr hinterher.
    »Lass sie«, nuschelte Berit und klappte den Reiseführer zu. »Du wirst begeistert sein, aber ich verrate nichts.«
    Natürlich nicht. Er fuhr meistens, und sie kümmerte sich um die Gestaltung der Pausen und die Wahl der Überraschungsunterkünfte. Auf der Hinreise hatte sie ihn erst in ein verwunschenes Bergdorf gelotst und darauf in eine von Touristen vergessene Ausgrabungsstätte, die sich – wie von ihr hingezaubert – in der Nähe der Autobahn bei Fano aufgetan hatte.
    »Was mit Heizung wäre schön«, sagte er, denn in der Pension hatten wegen der ewigen Schattenlagen spätherbstliche Temperaturen geherrscht. Für den Bruchteil einer Sekunde verengten sich Berits Augen zu Schlitzen.
    »Malte, das Schiff legt ab«, sagte sie. »Wir wollen nach oben.« Erst jetzt fiel Gabor auf, dass der Kunstrasen unter seinen Füßen vibrierte. Statt zu kommen, verkroch Malte sich in eines der Häuschen, reichte Nele etwas Unsichtbares durch eine Fensterluke und lachte, als sie die Speise zum Mund führte. Nele klammerte sich dabei am Dach des Zwergenhauses fest, als würde sie sonst vor Müdigkeit umkippen. An den letzten Abenden war sie nach dem Essen noch ins Dorf gegangen, hatte die folgenden Vormittage verschlafen und es vorgezogen, den Rest des Tages mit ihrer neuen Bekanntschaft zu verbringen. Die Überfahrt von der Insel nach Piräus hatte sie, die Stöpsel ihres iPods in den Ohren, auf einer Bank verschlafen und während der drei Autostunden nach Patras schweigend auf die tanzenden Wellen des peloponnesischen Golfs geblickt.
    »Völlig übernächtigt«, sagte Berit, nachdem sie eine Weile schweigend das Spiel ihrer Kinder beobachtet hatten.
    Als hätte Nele gemerkt, dass über sie gesprochen wurde, zog sie ein komisches Gesicht.
    »Geht schon«, rief sie. »Ich komme mit ihm nach.«
    An Deck herrschte das übliche Gedränge bei Auslaufen der Fähre. Passagiere drückten sich an die Reling, Rucksacktouristen hatten zwischen den überdachten Bänken mit Isomatten und ausgerollten Schlafsäcken Reviere für die Nacht markiert. Sie ergatterten eine Lücke am Geländer und blickten auf den Hafen und die Uferstraße, Berits Oberkörper ruhte an seiner Brust. Die von Reifenspuren überzogene Pier war leer, Polizisten und Grenzer verschwunden, Auffahrrampe und Treppe längst eingezogen. Ein Junge wuchtete die letzte Tauschlaufe über einen Poller, die wie eine Schlange ins aufgeschäumte Wasser glitt. Der erste Moment zu zweit, seit sie im Morgengrauen durch ihr Haus geschlichen waren, um Mäusefallen in der Vorratskammer und vor der Küchentür zu deponieren. Er drückte seine Nase in Berits Haar, suchte nach einer Stimmung, einer Besonderheit, nach einem sprechenden Detail aus den vergangenen Wochen, um es zu einem weiteren Bild des Sommers zu küren, aber unablässig dachte er daran, was er dort unten beobachtet hatte und was ihm nun wie eine Einbildung vorkam.
    »Ich hoffe, das mit der Grube ist bald vorbei«, sagte Berit.
    »Welche Grube?«
    »Maureen und Timothy. Das Leck in der Abwassergrube. Das verunreinigte Trinkwasser.«
    Maureen. Gabor sah ihren silbernen Haarschopf vor sich, der sogleich hinter der metallic grünen Hecktür des Range Rovers verschwand. Fluchend versuchte die ältere Dame einen vollen Wasserkanister von der Ladefläche zu heben, und um ihre Qualen zu beenden, sprang Gabor ihr bei, wuchtete das Monstrum aus dem Wagen, trug es durch den Garten zur Haustür und weiter bis zur offenen Küche. Noch als er ihn längst abgesetzt hatte und mit dem Daumen die schmerzende Kerbe in seiner Handfläche rieb, schimpfte sie über die verkommenen Insel-Handwerker, die erst beim Bau der Grube gepfuscht hätten und jetzt mit fadenscheinigen Argumenten die Reparatur verzögerten. »Keinen Euro kriegen die. Keinen einzigen.« Maureen und Timothy, das früh pensionierte Ärztepaar aus London Hampstead, das seit fünf Jahren das aufwendig
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