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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens
Autoren: Heinrich August Winkler
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in beträchtlichem Umfang, aber nicht so weitgehend einging,wie es Großbritannien, Frankreich und Rußland in parallel geführten Geheimverhandlungen taten. Deren Ergebnis war der geheime Londoner Vertrag vom April 1915, in dem sich Italien von der Entente die Angliederung von Südtirol, Triest und Istrien außer Fiume, auf kroatisch Rijeka, das nördliche und mittlere Dalmatien mit den vorgelagerten Inseln sowie die volle Souveränität über die Inseln des Dodekanes zusichern ließ. Außerdem sollte Italien eine Einflußzone an der Mittelmeerküste der Türkei und die Oberhoheit über ein verkleinertes Albanien erhalten.
    Ministerpräsident Salandra neigte, ebenso wie Außenminister Sonnino, den kriegswilligen «Interventionisten» zu, hatte aber die Mehrheit der Abgeordnetenkammer gegen sich und trat am 21. Mai 1915 zurück. Sein Vorgänger Giolitti, ein Befürworter der Neutralität Italiens, konnte mit einer parlamentarischen Mehrheit rechnen, wollte aber nicht selbst die Regierung übernehmen. Am Ende gab der Druck der überwiegend bürgerlichen, häufig studentischen Demonstranten auf den Straßen Roms und anderer großer Städte den Ausschlag. Bei ihnen fanden die entschiedenen Interventionisten, an ihrer Spitze der nationalistische Dichter Gabriele D’Annunzio und der frühere radikale Marxist und Syndikalist Benito Mussolini, seit seinem Bruch mit der entschieden anti-interventionistischen Sozialistischen Partei im November 1914 Redakteur der von ihm gegründeten, von der Industrie wie auch von Frankreich finanzierten Zeitung «Il Popolo d’Italia», den größten Zuspruch. König Viktor Emanuel III. stellte sich auf die Seite der lautstarken nationalistischen Minderheit. Er nahm Salandras Rücktritt nicht an und veranlaßte ihn zur Weiterführung der Regierungsgeschäfte. Daraufhin schwenkte auch die liberale Kammermehrheit auf die interventionistische Linie ein und gewährte der Regierung die von ihr geforderten außerordentlichen Vollmachten. Am 23. Mai 1915 erklärte Italien Österreich-Ungarn den Krieg; mit den Kriegserklärungen an die Türkei und Deutschland wartete es bis zum August 1916. Im Juni begann die erste der insgesamt elf Isonzoschlachten. Sie brachten Italien bis 1917 schwere Verluste an Menschenleben und nur geringfügige Gebietsgewinne ein.
    Früher als Italien war das Osmanische Reich in den Krieg eingetreten: Ende Oktober 1914 lief die türkische Flotte aus, um, ganz auf der Linie des am 2. August geschlossenen Bündnisses mit dem Deutschen Reich, russische Schwarzmeerhäfen zu verminen und zu beschießen.Das Zarenreich antwortete am 3. November mit der Kriegserklärung an die Türkei; am 5. November taten Großbritannien und Frankreich denselben Schritt. Zwei Monate später, im Januar 1915, brachten die Russen der türkischen Armee im Südkaukasus eine schwere Niederlage bei. An einer anderen Front waren die Türken hingegen erfolgreich: Sie vereitelten Ende April 1915 einen Versuch alliierter Truppen, zum großen Teil solcher aus den britischen Dominions Australien und Neuseeland, die Halbinsel Gallipoli nördlich der Dardanellen zu besetzen.
    In ebendiesen Tagen, am 24./25. April 1915, begann in Istanbul die Verhaftung und Deportation von über 200 mehr oder minder prominenten Armeniern, die wenig später fast alle umgebracht wurden, das schrecklichste Kapitel des Ersten Weltkrieges: der Völkermord an den Armeniern. Brutaler Gewalt waren die Armenier schon unter Sultan Abdulhamid II. ausgesetzt gewesen: 1884 und 1896 kamen in Pogromen bis zu 200.000 Menschen um. Während der Pogrome vom Frühjahr 1909, die mit der Revolution der Jungtürken zusammen fielen, starben zwischen 15.000 und 20.000 Armenier. Es gab zwar ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zwischen den im Osmanischen und den im Zarenreich lebenden Armeniern und seit dem späten 19. Jahrhundert auch revolutionäre Gruppen, die, teilweise mit russischer Unterstützung, gegen die Unterdrückung durch die türkischen Islamisten kämpften. Aber von einem kollektiven Widerstand der Armenier gegen die türkische Herrschaft konnte keine Rede sein.
    Der regierenden Partei der Jungtürken, Ittihat ve Terakki (Einheit und Fortschritt), unter Talaat Pascha ging es von Anfang an um mehr als die Einschüchterung einer vermeintlich unzuverlässigen Bevölkerungsgruppe oder um die Beseitigung der verbliebenen Selbständigkeit der nichtmuslimischen Religionsgenossenschaften, der Millets. Ittihat Terakki wollte aus
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