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Geraubte Herzen

Geraubte Herzen

Titel: Geraubte Herzen
Autoren: Christina Dodd
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sie: »Warum sind die so gemein?«

    »Still«, mahnte Hope. Sie wollte nicht, dass die Mitglieder des Kirchenrats sie bemerkten. Sie wollte hören, was da besprochen wurde.
    »Was sollen wir mit den Gören machen?« Mrs. Cunningham hörte sich gehässig an. »Die Achtjährige ist kein besonders anziehendes Kind.«
    Endlich drehte Gabriel sich um. Er war immer Peppers großer Held gewesen, und jetzt breitete er die Arme aus. Pepper lief zu ihm, und als sie ihn umarmte, sah Gabriel Hope an. Sogar in dem schwachen Licht, das aus der Tür nach draußen fiel, konnte sie erkennen, wie trüb seine grünen Augen waren, wie stumpf seine dunklen Haare, und die Leere in seinem Gesicht zerriss ihr das Herz.
    »Hope ist eine furchtbare Angeberin. Im Volleyball-Team, im Schulkomitee. Ständig prahlt sie damit, dass sie im Band-Wettbewerb den ersten Platz gemacht hat.« Mrs. Cunninghams sechzehnjährige Tochter Melissa war nirgends so gut wie Hope, aber früher hatte sich Mrs. Cunningham nicht darüber beschwert. Nicht solange Hopes Vater hier noch Pfarrer gewesen war.
    Hope lauschte angestrengt, ob irgendwer sie verteidigte.
    Aber es herrschte eine entsetzliche Stille.
    Dann war wieder diese boshafte Stimme zu hören. »Der Pflegesohn kann ins Waisenhaus oder wo immer sie diese Kinder hinstecken.«
    Hope fuhr zusammen. Gabriel hatte sie gewarnt. Er hatte gesagt, dass es so kommen würde. Aber sie hatte ihm nicht geglaubt. Jetzt starrte sie ihren Bruder an. Den Jungen, der vor drei Jahren nur widerwillig zu ihnen gekommen war und sich ihnen erst seit kurzem aus ganzem Herzen zugehörig fühlte. Wie konnte so etwas geschehen?
    »Es hat mir immer missfallen, dass die Prescotts ihn aufgenommen haben. Man weiß nie, von welchen Eltern solche
Kinder stammen. Drogenabhängige, vermutlich.« Mrs. Cunningham seufzte. »Das Baby ist vermutlich kein Problem. Es findet sich immer jemand, der ein kleines Mädchen adoptieren will.«
    Hope horchte, horchte angestrengt und wartete, dass irgendwer sagte, man müsse die Geschwister zusammenlassen. Dass jemand ihnen eine Zuflucht anbot, ihr, ihren beiden Schwestern und ihrem Pflegebruder.
    Aber keiner von diesen wohlhabenden Leuten, keiner dieser Leute, die sich als Freunde ihrer Eltern gebärdet hatten, sagte etwas. Nicht den leisesten Ton.
    Ihre Arme zitterten. Sie zitterte. Sie rappelte sich auf und legte Caitlin vorsichtig auf die Chaiselongue.
    Gabriel kam auf sie zu. »Nein, Hope. Das hilft auch nichts.«
    »Ich muss. Begreifst du das nicht? Ich muss.« Hope mühte sich mit der Schiebetür ab und taumelte ins Wohnzimmer. All die Erwachsenen, all diese Heuchler, starrten sie mit vor Schreck geweiteten Augen und hängendem Unterkiefer an.
    Sie starrte zurück. Mrs. Blackthorn, dünn wie eine Rasierklinge und das Aristokratischste, das diese Stadt zu bieten hatte. Dr. Cunningham, der freundliche Landarzt, der keinem in die Augen sah. Mrs. Cunningham, die von allen als »entzückend mollig« bezeichnet wurde. Mr. Oberlin, das jüngste Mitglied des Kirchenrats, der immer so unterhaltsam war, und seine Frau Mrs. Oberlin, groß, mit runden Schultern und die Welt mit ängstlichen Augen betrachtend.
    Alle, alle waren sie unglaublich grausam. »Wie können Sie es wagen? Wie können Sie nur? Mrs. Oberlin, meine Mutter hat auf Ihre Kinder aufgepasst, während Sie bei der Arbeit waren. Dr. Cunningham, mein Vater hat Melissa bei der Suche nach einem College geholfen.« Hope atmete
keuchend aus. »Mein Daddy und meine Mama waren gute Menschen. Sie haben nichts gestohlen. Sie hätten niemals etwas gestohlen.« Zum ersten Mal seit der Beerdigung weinte sie leise. Sie krümmte sich in dem Versuch, den Schmerz zu zügeln, und wischte sich die Tränen von den Wangen. »Sie lügen! Sie lügen doch alle!«
    Mrs. Blackthorn fing sich als Erste. »Schaffen Sie das Mädchen hier raus.«
    Dr. Cunningham erhob sich und ging auf Hope zu.
    Hope wich nach Luft ringend zurück. Sie musste sich beruhigen. Und sie musste das Wichtigste noch loswerden. »Sie wollen uns auseinander reißen? Sie wollen das Baby weggeben? Sie wollen Gabriel ins Waisenhaus schicken? Sie wollen Pepper und mir wehtun, weil … weil Sie glauben, dass meine Eltern … Aber das ist nicht wahr, und auch wenn es das wäre, wie können Sie es wagen …?« Ein Weinkrampf schüttelte sie.
    Dr. Cunningham nahm sie bei den Schultern. »Still jetzt«, murmelte er, unpassend wie immer.
    Hope versuchte, sich loszureißen, aber er packte fester zu und zog sie
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