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Gepeinigt

Titel: Gepeinigt
Autoren: Theresa Saunders
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Oberkörper herum und streckte ihm ihre gefesselten Hände hin, wobei sie die Handgelenke ein wenig voneinander weghielt, um den Eindruck zu erwecken, dass die Fesseln eng waren. Da sie nichts sehen konnte und auch nicht wusste, wo er stand, kam es überraschend für sie, als er mit einem heftigen Ruck ihre Fessel straff zog. Sie schrie auf vor Schmerzen. Das dünne Plastikband schnitt
brutal in ihre Haut, und auch ihre verdrehten, festgebundenen Fußgelenke taten höllisch weh. Sie unterdrückte weitere Schmerzensschreie, weil sie Angst hatte, dass er wieder zu dem Chloroform greifen würde. Bewusstlos war eine Flucht unmöglich.
    Hasserfüllt keuchend wartete sie darauf, was er als Nächstes tat. Sie spitzte die Ohren, versuchte verzweifelt, etwas zu hören. Aber sie nahm nur ihren eigenen Atem wahr. Nein, da war etwas. Ein Rascheln, wie von vertrockneten Blättern. Er stand direkt hinter ihr. Hinter ihrer rechten Schulter.
    Ohne Zögern riss sie wie eine Volleyballspielerin die gefesselten Arme hoch, verdrehte den Oberkörper und schlug zu. Sie hoffte verzweifelt, ihn am Kinn zu treffen, ein klares K.o. Ein scharfer Schmerz durchfuhr ihren Arm, als sie ihn traf. Es war zwar kein Volltreffer, aber immerhin. Sie schwankte und hätte fast das Gleichgewicht verloren. Sie brauchte all ihr Geschick und ihre Konzentration, um nicht aus dem offenen Wagen zu fallen. Mit diebischer Genugtuung hörte sie seine Zähne hart aufeinanderschlagen und danach ein Grunzen. Sie stellte sich vor, wie sein Kopf in den Nacken flog. Dann vernahm sie einen Aufprall, als er auf dem Boden aufschlug. Die Taschenlampe rollte mit einem Klirren unter den Wagen.
    Ein Schluchzen brach aus ihr hervor, der Speichel lief ihr übers Kinn. Sie konnte nicht anders, zu lange hatte sie es unterdrückt. Sie zitterte und wand sich wie ein wildes Tier. Im nächsten Moment riss sie sich die Kapuze vom Kopf und spürte gar nicht, wie sie sich dabei ein Büschel Haare ausriss. Es war so dunkel. Warum konnte sie nichts sehen? Ihr lief der Rotz aus der Nase. Automatisch wischte sie ihn mit dem Ärmel fort. War er bewusstlos? Oder bloß außer Atem? Wo war ihre Pistole? Die Füße. Sie musste ihre Fußfesseln loswerden.
An den Plastikbindern zerren half nichts. Vielleicht wenn sie ihre Socken auszog, vielleicht konnte sie ja barfuß aus ihnen herausschlüpfen. Sie weinte hemmungslos, während sie an den Socken riss und ihre Finger unter die dünnen Plastikfesseln schob. Sie zog und zerrte, verdrehte ihre Fußgelenke. Es tat höllisch weh. Sie schluchzte, heulte, aber diesmal aus Frustration, weil kostbare Zeit verstrich. War er bewusstlos? Oder beobachtete er sie bereits? Lachte sie aus, weil sie heulte?
    Als sie endlich einen Fuß freibekam, ließ sie sich erschöpft zurücksinken. Keuchend fuhr sie zur offenen Tür herum. Lauerte er ihr schon auf? Hatte sie noch die Kraft, ihn ein zweites Mal abzuwehren? Soweit sie erkennen konnte, gab es keinen anderen Fluchtweg. So gut es mit den gefesselten Händen ging, packte sie einen Reifen und warf ihn dorthin, wo sie glaubte, ihn niedergestreckt zu haben. Wie durch ein Wunder traf sie ihn, hörte, wie er verärgert die Luft zwischen den Zähnen einsog. Sie schnappte sich noch einen Reifen. Gott, wie schwer die waren. Und schleuderte ihn hinaus. Nichts diesmal. Sie hatte daneben geworfen. In jäher Panik sprang sie aus dem Wagen. Und rannte, die Arme vor sich ausgestreckt, in die Dunkelheit. Sie keuchte, ihr platzten fast die Lungen, und der Puls hämmerte in ihren Ohren.
    Bis sich von hinten jemand auf sie warf und ihr einen Lappen aufs Gesicht drückte.

    Das Bewusstsein erschien ihr wie eine Fackel, die jemand weit entfernt vor ihr hertrug. Aber je näher sie kam, desto größer wurden ihre Schmerzen. Besser zurückbleiben, in sicherer Entfernung. Dennoch rückte die Fackel immer näher, sie konnte gar nichts dagegen tun. Sie ächzte protestierend,
dann noch einmal lauter, stöhnte, bis sie nicht mehr sicher war, ob es nur Schmerzbekundungen waren oder ein Protest dagegen, überhaupt aufwachen zu müssen. Ihre Lider zuckten und öffneten sich. Luft zischte zwischen ihren trockenen, rissigen Lippen hervor. Schon fiel die Übelkeit wie ein wildes Tier über sie her. Sie fühlte sich, als läge sie bäuchlings auf einem schaukelnden Floß im unendlichen Meer, während die Sonne
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