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Gepeinigt

Titel: Gepeinigt
Autoren: Theresa Saunders
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ein Gedanke durch den Kopf, scharf wie ein Messer, und brachte ihr Herz ins Stolpern. Sie hatte die Geschichte mehr als einmal gehört, von der Frau, die entführt und in einen Kofferraum gesperrt worden war. Aber anstatt sich passiv in ihr Schicksal zu ergeben, hatte sie mit einem Tritt die Heckscheinwerfer zerbrochen und ihren Arm durch den kaputten Scheinwerfer nach draußen gestreckt. Der Fahrer des nachfolgenden Autos hatte ihren winkenden Arm bemerkt und sofort auf seinem Handy die Polizei alarmiert. Er war dem Fahrzeug gefolgt, hatte dessen Position laufend durchgegeben, bis die Polizei eintraf.
    Mary war nun hellwach. Sie hob den Kopf. Sie musste sich jetzt ganz auf ihr Ziel konzentrieren. Es gab einen Ausweg. Sie musste nur die Hecklichter des Lieferwagens finden. Ihre am Boden fixierten Fußgelenke als Hebel benutzend, richtete sie sich in eine sitzende Stellung auf. Sie streckte die rechte Hand aus, ertastete etwas. Es war ein Autoreifen. Sie gab ihm einen Stoß. Er verrutschte ein wenig. Sie tastete sich weiter, Stück für Stück, und stieß schließlich, indem sie sich halb herumrollte, auf eine Wand ihres Gefängnisses. Auf der anderen Seite dasselbe. Nun tastete sie hinter sich. Diesmal kein Reifen. Sie legte sich flach auf den Rücken, und ja, da war die Wand, etwa eine halbe Armlänge von ihrem Kopf entfernt. Die vierte und letzte Wand war am schwierigsten zu finden. Sie musste sich erst auf die Fersen setzen und dann bäuchlings vorschieben, so weit sie konnte, obwohl sie
sich dabei die gefesselten Fußgelenke verdrehte. Tastend erkundete sie ihre Umgebung.
    Die Zeit verstrich.
    Am Ende war sie genau dort wieder angelangt, wo sie angefangen hatte, auf dem Bauch, sich nach der am weitesten entfernten Wand ausstreckend.
    Vielleicht hatte sie die Hecklichter übersehen. Oder ihr Kopf war immer noch zu verwirrt. Vielleicht waren die Scheinwerfer bei diesem Modell ja höher angebracht, und sie hatte sich nicht weit genug nach oben vorgetastet. Sie versuchte es ein drittes Mal. Schließlich musste sie sich ihr Scheitern eingestehen. Unwillkürlich schluchzte sie auf. Wie viel Zeit blieb ihr noch? Einige Tage? Überhaupt keine? Und wenn der oder die Kerle nun auf einer einsamen, gottverlassenen Landstraße unterwegs waren? Mein Gott, bitte, lass jemanden merken, was mit mir los ist! Sie ertastete eine Ecke, prüfte sie von oben bis unten. Nichts. Dasselbe in der nächsten Ecke. Wieder nichts. Die anderen beiden waren weiter weg und nicht so leicht zu erreichen. Dort kam sie nicht so hoch hinauf. Nichts. Nichts!
    Verzweifelt hämmerte sie mit den Fäusten auf den Boden. Schürfte sich dabei die Handballen auf. Wo waren die beschissenen Hecklichter? Den Tränen nahe mühte sie sich um Fassung und kämpfte erneut ihre Panik nieder. Sie war taff. Sie war hart im Nehmen. Schon immer gewesen. Heulen nützte gar nichts, das schwächte sie nur. Und Schwäche war ein Wort, das Mary hasste.
    Nun, zumindest wusste sie jetzt Folgendes: Sie war allein, und es gab nichts in dem Lieferwagen, das sie als Waffe benutzen konnte, bloß ein paar alte Lumpen und ein paar Autoreifen. Die seitliche Schiebetür besaß einen Griff, der sich jedoch nicht öffnen ließ. Offenbar war sie von außen
verschlossen worden. Man hatte ihre Füße etwa in der Mitte der Ladefläche befestigt.
    Aber was zum Teufel nützte ihr dieses Wissen? Einen verdammten Scheißdreck.
    Als Senior Constable bei der Mordkommission von Mount Dempsey hatte sie es täglich mit Verbrechen zu tun. Elf Jahre Berufserfahrung hatten sie zynisch gemacht. Verbrechen passierten anderen, nicht jemandem wie ihr, der stark und fit war, der sich auf den Straßen dort draußen auskannte. Diejenigen, die es traf, die Opfer, waren meist Idioten, Schwächlinge, Säufer, oder alles zusammen. Aber jetzt hatte es auch sie erwischt. Ihr wurde noch schlechter. Großer Gott, was würden die Kollegen denken? Sie würden jede Achtung vor ihr verlieren, allen Respekt, den sie sich so mühsam erkämpft hatte.
    Aber was nützte einem ein guter Ruf, wenn man tot war? Sie fragte sich, was ihre Kollegen wohl für Spuren am Tatort finden würden. Ihr Auto mit ihrer Handtasche darin? Und neben dem Wagen die Tüte mit den Einkäufen? Vielleicht ja auch ihre Brieftasche, die Autoschlüssel? Vorausgesetzt, das Arschloch hatte nicht kaltblütig alle Spuren beseitigt. Und kein
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