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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer
Autoren: Eskapaden
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der
Straße, Mylord. Lassen wir ihn einfach – so liegen?»
    «Mein
lieber Freund, schlägst du vielleicht vor, ich soll die Leiche eines
Wegelagerers zu Lady Montacutes Soiree mitnehmen?»
    «Gewiß
nicht, Mylord», sagte der Kutscher zögernd. «Dann – dann – soll ich also
weiterfahren?»
    «Natürlich.»
Es klang eine Spur erstaunt.
    «Wie Sie
wünschen, Mylord», meinte der Kutscher mit einer Verneigung und schloß den
Schlag.
    Auf dem
Bock hielt der Reitknecht noch immer die schwere Büchse umklammert und starrte
wie gebannt auf die stille Gestalt am Straßenrand. Als der Kutscher neben ihn
kletterte und die Zügel ergriff, fragte er: «Du lieber Himmel, willst du denn
nicht irgendwas tun?»
    «Gibt
nichts, was ich noch für ihn tun kann», knurrte sein Gefährte grimmig.
    «Der halbe
Kopf ist weggeschossen», stellte der andere schaudernd fest.
    Die
Equipage fuhr an. «Kannst du nicht einmal den Mund halten? Er ist tot, und
damit basta.»
    Der
Reitknecht leckte sich über die trockenen Lippen.
    «Aber Seine
Lordschaft – weiß er es denn nicht?»
    «Klar weiß
er es. Er macht keine halben Sachen – schon gar nicht mit der Pistole.»
    Der
Reitknecht holte tief Atem. Er dachte noch immer an den Toten, den sie in
seinem Blut zurückließen. «Wie alt ist er eigentlich?» platzte er nach einer
Weile heraus.
    «Vierundzwanzig
in ein oder zwei Monaten.»
    «Vierundzwanzig!
Und schießt einen Menschen einfach über den Haufen und fährt dann weiter, als
wäre nichts geschehen! Mein Gott!»
    Damit
schwieg er, bis die Kutsche ihr Ziel erreichte, und selbst dann war er noch so
in Gedanken versunken, daß der Kutscher ihm einen kräftigen Rippenstoß
versetzen mußte. Erst jetzt schreckte er auf und sprang vom Bock, um seinem
Herrn den Schlag zu öffnen. Während der Gentleman gemächlich ausstieg,
beobachtete er ihn verstohlen, ob er ihm ein Zeichen der Erregung anmerken
konnte, aber Seine Lordschaft schritt in aller Ruhe und mit undurchdringlicher
Miene die Stufen zum Steinportal hinauf und betrat die erleuchtete Halle.
    «Mein
Gott!» sagte der Reitknecht noch einmal.
    Während
zwei Lakaien dem Nachzügler Hut und Mantel abnahmen, schickte sich im
Hintergrund ein zweiter Herr gerade an, die breite Treppe zum Salon
emporzusteigen. Er sah, wenn auch vielleicht auf eine etwas aufdringliche Art,
gut aus; stark geschwungene Brauen wölbten sich über huschenden Vogelaugen.
Seine Kleidung verriet eindeutig den Makkaroni – den ausländische Sitten
nachahmenden Stutzer –, denn er trug einen kurzen, mit einer Verschnürung
verzierten Rock, feingestreifte Kniehosen mit seitlichen Quasten und eine
Weste, die kaum über die Taille reichte. Die Rüschen seiner Hemdbrust quollen
üppig hervor, und statt einer Krawatte schmückte ihn ein voluminöses Halstuch,
das in einer Schleife unter dem Kinn gebunden war. Auf dem Kopf thronte ein
erstaunlich hohes, mit blauem Haarpuder bestäubtes Leitertoupet, und in der
Hand hielt er einen langen, mit Troddeln geputzten Spazierstock.
    Als Mylord
eintrat, wandte der Stutzer sich nach dem späten Gast um und kam ihm dann durch
die Halle entgegen. «Du vereitelst meine Hoffnung, der letzte zu sein», meinte
er vorwurfsvoll, hob dann sein Monokel und spähte auf das Loch im Mantel Seiner
Lordschaft.
    «Mein
lieber Vidal!» sagte er schockiert. «Aber bester Freund, was sehe ich denn da!»
    Einer der
Lakaien hatte den Mantel über den Arm gelegt. Mylord schüttelte seine
Handkrausen aus Dresdener Spitze aus, aber so achtlos, als bedeute es ihm
herzlich wenig, point-de-vice zu sein. «Nun, Charles, was ist damit?»
fragte er.
    Mr. Fox
überlief ein Schauder. «Da ist ein verdammtes Loch drin, Vidal», sagte er,
indem er vortrat und mit spitzen Fingern eine Falte des Kleidungsstückes hob.
«Und es riecht verdammt nach Pulver», fügte er schnuppernd hinzu. «Du hast
jemand erschossen.»
    Seine
Lordschaft lehnte sich ans Treppengeländer und öffnete seine Schnupftabakdose.
«Ach, bloß irgend so einen kleinen Straßenräuber.»
    Mr. Fox
verzichtete einen Augenblick auf seine Affektiertheit. «Hast du ihn getötet,
Dominic?»
    «Natürlich»,
antwortete Mylord.
    Mr. Fox
grinste. «Und was hast du mit der Leiche getan, mein Junge?»
    «Getan?»
fragte Seine Lordschaft mit einem Anflug von Ungeduld. «Nichts. Was hätte ich
damit tun sollen?»
    Mr. Fox
rieb sich das Kinn. «Der Teufel soll mich holen, wenn ich das weiß», sagte er
nach kurzer Überlegung. «Aber du kannst eine Leiche nicht
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