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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle
Autoren: Ronald M. Hahn
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die Luft und das Meer den ganzen Mist, das ganze tonnenschwere Gerumpel aus dem Körper brennen und blasen und waschen, die Schmutzkruste, die seit Jahren immer dicker und erdrückender geworden ist, schon von dem Zeitpunkt an, als man aus Ma’s Gebärmutter kroch.
    Ja, Mann, das alles warf ich ihm an den Kopf und wohl noch ’ne ganze Menge mehr, vom Kriechen, Jasagen, Gehorchen, Betteln, Bitten, Erniedrigen, aber den Rest habe ich vergessen, völlig vergessen. Außerdem bekam ich in diesem Moment wieder Schmerzen und Hitzewellen.
    Was soll’s, auf jeden Fall war der Alte nicht beleidigt, ganz im Gegenteil, er grinste wie ’ne Zahnpastareklame der Gesellschaft wider den Karies, hieb mir begeistert auf die Schulter und spendierte mir ’n neues Bier.
    Mann, er fuhr richtig ab, kann ich dir sagen, und mir wurde immer blöder zumute, meine Greifer bibberten, wenn sie das Glas umklammerten, aber der Alte geierte schwachbrüstig und machte ’nen Strahlemann, rotzte vor Zufriedenheit auf den Boden und meinte, das alles sei ja richtig gut und ausgezeichnet und sehr positiv.
    Da wurde mir die Sache doch zu bunt, und ich fragte, ob er denn noch richtig im Takt sei und was sein irres Geschnatter denn bedeuten solle. Und mir wurde sauübel, Mann, sauübel; Eiter Rollers Mülltonnengejammer ging mir auf den Geist, und ich sagte mir energisch, du mußt hier raus, aber auf die Schnelle!
    Okay, Alter, quetschte ich mühsam hervor, machen wir ein paar Sprints um den Block, und dann kannste dich bei mir ausweinen, nur … ich bin blank, klar? Kein Pulver mehr, alles versoffen!
    Kein Problem, nuschelte der Alte mit ’ner großartigen Betonung; er zog ’nen Hunderter – ja, Mann, wenn ich’s doch sage, ’nen nagelneuen, netten Hunderter und keinen Cent weniger! – hervor und schob ihn über die klebrige Theke. Fat Wimpy grapschte danach und wollte dann auch noch wechseln, aber ich schaltete schnell und brüllte, das gehe schon in Ordnung und wir seien in Eile, und während ich den greisen Nußknacker nach draußen scheuchte, machte ich Wimpy flüsternd klar, daß er mir den Rest für den nächsten Abend verwahren solle, alldieweil ich ihm sonst den Schädel eindreschen würd’.
    Yeah, und dann waren wir draußen. Die schwüle Nachtluft verpaßte mir direkt ’nen gekonnten Schwinger, und ich kotzte in den Rinnstein, aber es war nur das halbverdaute Bier, das mir da hochkam, und mir fiel ein, daß ich seit zwanzig Stunden nichts Richtiges mehr gegessen hatte. Ich wollte schon den Alten anspitzen, aber er ließ mich gar nicht erst zu Wort kommen, sondern sabberte selbstgefällig vor sich hin. Außerdem tanzten vor meinen Augen die überquellenden Mülltonnen und die rostigen Autowracks ’n adretten Schieber; stell dir vor: Dutzende kaputter Autos, die in der Luft herumschwirren, und jedes sieht aus wie ’n brennender Weihnachtsbaum. Mann, und es stank nach Rauch und Schweiß, faulen Knochen und schimmeligem Fleisch, nach Scheiße, Intimspray und all dem anderen Dreck, den man heutzutage ertragen muß, wenn man nicht gerade in Greeny oder den anderen Vierteln der feinen Pinkel wohnt.
    Mein Schädel platzte fast aus allen Nähten, und ich ekelte mich vor mir selbst, aber den Alten schien das nicht zu stören.
    Er gackerte kurzatmig, nahm mich am Arm und zerrte mich an ’n paar aufgetakelten Nachtarbeiterinnen vorbei, denen schon die Kriegsbemalung in den Falten ihrer Fressen eingetrocknet war, aber dafür machen sie’s auch schon für’n Fünfer und wenn du die Augen und Ohren zusammenkneifst und dir vorstellst, da unter dir liegt ’n junges Stück Fleisch, dann is’ das nicht so schlimm.
    Fuck it, fuck it, der Alte war schon jenseits der Sünde und wollte von ’nem schnellen Dreh nichts wissen.
    Mann, und die verdammten Kopfschmerzen! Wir torkelten die Piste runter, zwei dreckige, stinkende Männer und beide voll wie ’ne Haubitze.
    Yeah, Mann, du merkst, ich bin ehrlich!
    Und dann, tja, dann murmelte der Alte was von den Niggern, schwarzen Affen und so, das Übliche, was man morgens früh um drei stockbesoffen schwätzt, wenn einen die Welt am Arsch lecken kann, und ich hörte nicht mal mehr zu, da ich vollauf damit beschäftigt war, nicht auf die Schnauze zu fallen und meine Kopfschmerzen und die Hitze und Kälte in meinen Gliedern zu vergessen.
    Vor ’ner Underground-Station, unter ’ner zerschlagenen Laterne, setzten wir uns dann aufs Pflaster. Es war ziemlich warm und die Steine glühten uns die Gedärme
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