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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle
Autoren: Ronald M. Hahn
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einmal in seinem Leben vernünftige Klänge aus dem Grammophon hervorzaubern.
    Ich weiß auch nicht warum, Mann, aber der alte Sack hörte auf mich, und dann donnerte Eiter Rollers Superhit Wahnsinn zwischen Mülltonnen, und Trickie Dickie nickt dazu aus den Lautsprechern, daß ich meinte, mir ginge mein bißchen Verstand flöten und ich sei Shirley Temple persönlich.
    Tja, Mann, alles hätte noch richtig funky werden können, vielleicht hätte ich noch ’ne spitze Mieze aufgegabelt und sie an mein Bettlaken genagelt, so mit ’nem Ohohooooh! auf den Lippen, aber es war eben ein Scheißtag, und darum stand plötzlich auch dieser Gnadentodanwärter neben mir.
    Du merkst, Freund, jetzt wird’s interessant!
    Also, ich sah ihn an, sah diese vertrocknete Menschenruine vor mir, ’n Haufen quittegelber Haut, entgleister Gesichtszüge und schlackernder Knochen, und wußte sofort, daß ich da ’nen Beknackten vor mir hatte.
    Und ob du’s glaubst oder nicht, Mann, er war tatsächlich beknackt – aber auf ’ne ganz ausgefallene Weise.
    Die ersten Minuten lehnten wir nun nebeneinander an der Theke, rauchten schwarze ausländische Kippen und kurbelten Fat Wimpys Umsatz kräftig an, ohne uns viel zu erzählen, aber schließlich verlor er seine Schüchternheit und begann mich anzumachen.
    Zuerst dachte ich, er suche jemand, den er mit seinen geilen Mumienfingern begrapschen könne, aber dafür schien er mir dann doch zu schäbig zu sein und nicht genug Knete zu haben, mit der er sich jemanden wie mich finanzieren konnte; ich meine, seine Klamotten stanken nach Schnaps und Schweiß und Dreck und er rülpste wie ’ne ganze Bande Bahnhofspenner …
    Aber wie er sprach – nicht so frei raus wie ich, mehr so wie du und Leute deiner Sorte –, das paßte nicht ganz zu ihm. Ich schätze, früher mußte er mal die Bildung auf irgend ’ner piekfeinen Denkerzuchtstätte eingetrichtert bekommen haben, oder vielleicht hatte er auch nur bei ’nem Preisausschreiben ’n Jahresabonnement von Reader’s Digest gewonnen, so nach dem Motto: Raten Sie, wie weiß das perlweiß waschende Perlweiß wäscht und sichern Sie sich mit dem Digest einen Fensterplatz mit Blick auf die Kultur!, aber im Grunde interessierte mich das einen Dreck.
    Was ich damit sagen will, Mann, und ich hoffe, du blickst durch, ist, daß dieser Lustgreis gar kein Lustgreis war, sondern irgendwas anderes. Was, das hatte ich nicht gleich gecheckt, ich wußte nur, daß hinter seinen eingefallenen Glotzern nichts Vernünftiges lauerte.
    Wir laberten so über dies und das, erzählten so das Übliche, von dieser miesen Stadt, diesem Betonsarg, den Wanzen in unseren abbruchreifen Wohlfahrtsbuden, von den lächerlich wenigen Kröten, die die Sozialbehörde so jede Woche ausspuckt, von den Weibern und vom Fusel, von unserem beschissenen Leben und unserer beschissenen Situation, von den verdammten Ausländern, die uns die Arbeit wegnehmen, von den fetten Negerhuren mit den speckigen Ärschen und den geilen Nippeln auf den Schlabberbrüsten, ja, vor allem von den Huren und den Niggern, die …
    Fuck it, da wurde der unlustige Lustgreis mit einem Mal helle, richtig elektrisch, weißt du.
    Und jetzt soll mich die Große Erdnuß verschlingen, er fragte mich, ob ich an irgendwas glaube.
    Scheiße, dachte ich, ’n gottverdammter Klingelbeutelschwenker! Das hatte mir gerade noch gefehlt, so voll und angetörnt wie ich war, und dann mir das senile Hosiannageschwätz dieses Beichtstuhljockeis anzuhören!
    Alrait, alrait! rotzte ich ihm in die Visage, du willst also wissen, woran ich glaube, eh?
    Er nickte und schlürfte die Spucke zurück, die ihm aus dem rechten Mundwinkel gesabbert war.
    Ich glaube, schrie ich ihn an, ich glaube an Geld, Pulver, Zaster, verstehste? Und warum? Warum? Yeah, du Bock, weil man sich mit den Kröten alles an Land ziehen kann, was man für ein cooles Leben so braucht! Miezen, die nicht zickig sind und die man einfach in den Hintern tritt, wenn sie einen anwidern; genug Fusel, um euch dämliche Figuren nicht mehr klar zu sehen und euer geistloses Gestammel nicht zu verstehen; genug Speed und Koks und Shit, um ’n paar gute Gefühle zu bekommen; ’ne vernünftige Bude, die nicht kalt und feucht ist und wo man nicht mehr das Gejapse der kleinen Nutte von nebenan durch die löchrigen Pappwände hört; schnelle, klotzige Schlitten, um dieses elende Rattennest für immer zu verlassen, irgendwohin zu trampen, nach Sunny California vielleicht, damit die Sonne und
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