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Geliebter Schuft

Geliebter Schuft

Titel: Geliebter Schuft
Autoren: Jane Feather
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runzelte die Stirn. Wer steht hinter diesem Blatt? War es als Forum für die weiblichen Störenfriede gedacht, die mit jedem Tag radikaler wurden und der Regierung mit ihrer Forderung nach dem Stimmrecht für Frauen arg zusetzten? Alle übrigen Themen, die das Blatt behandelte, entsprachen eher der Erwartung, die der Titel weckte: ein Artikel über den amerikanischen Illustrator Charles Dane Gibson und das Geschöpf seiner Phantasie, das in unzähligen Abwandlungen präsentierte Gibson-Girl; ein Bericht über die Gäste einer Nobelhochzeit; eine Aufzählung bevorstehender gesellschaftlicher Ereignisse. Er warf einen Blick auf den Gibson-Artikel, zwinkerte überrascht und fing zu lesen an. Statt der erwarteten, ernst gemeinten Ratschläge, die eine Annäherung an das der vorherrschenden Mode entsprechende Ideal des Gibson-Girl erleichtern sollten, ertappte er sich bei der Lektüre eines Artikels, in dem kritisch und mit spitzer Feder die sklavische Unterwerfung der Frauen unter das fast ausschließlich von Männern lancierte Modediktat gegeißelt wurde.
    Er blickte auf. »Wer schreibt das?«
    »Ach, das weiß kein Mensch«, sagte Elizabeth, die Hand begierig nach ihrem Beutestück ausstreckend. »Natürlich wird dadurch alles besonders interessant. Das Blatt erscheint schon seit mindestens zehn Jahren, dann gab es eine kurze Pause, und jetzt erscheint es erneut, wenn auch mit erweitertem Inhalt.«
    Sie faltete es wieder zusammen. »Schade, dass man jetzt dafür bezahlen muss. Früher lag es in Garderoben oder auf Foyer-Tischen aus. Damals enthielt es allerdings nicht so viele interessante Artikel. Es brachte meist langweiliges politisches Zeug ... Themen wie Frauenstimmrecht und Vermögensrecht. Davon verstehe ich nun gar nichts. Um diese Dinge kümmert sich der liebe Ambrose.« Sie lachte perlend, als sie die Blätter wieder in ihre Handtasche steckte. »Keine passenden Themen für Damen.«
    »Nein, wirklich nicht«, pflichtete Max Ensor ihr mit einem bekräftigenden Nicken bei. »Es gibt schon genug Ärger auf der Welt, ohne dass Frauen ihre Nase in Dinge stecken, die sie nichts angehen.«
    »Das sagt auch der liebe Ambrose.« Mit selbstgefälligem Lächeln überprüfte sie den Sitz ihres Hutes aus schwarzem Taft, den eine wahre Kaskade aus weißen Federn schmückte.
    Sie warf einen Blick auf die kleine emaillierte Uhr an ihrem Jackenaufschlag. »Ach, du meine Güte, schon so spät? Jetzt muss ich aber gehen. Ein wundervoller Tee. Vielen Dank, Mr. Ensor.«
    »Das Vergnügen war ganz meinerseits, Lady Armitage. Sicher sehen wir uns heute auf der Soiree der Beekmans. Letitia bat sich meine Begleitung aus.« Er stand auf, verbeugte sich und reichte der Dame ihre Handschuhe.
    »Es wird ein zauberhafter Abend«, sagte Elizabeth und strich die Handschuhe über den Fingern glatt. »Zurzeit ist in London alles zauberhaft. Finden Sie nicht auch?«
    »Hm, ja ... zauberhaft«, gab er ihr Recht. Er blieb stehen, bis sie hinausgerauscht war, dann rief er nach der Rechnung. Zauberhaft war im Sprachgebrauch einer Mayfair-Lady ein geradezu überstrapaziertes Wort. Letitia benutzte es, um alles zu beschreiben ... von den Haarschleifen ihrer kleinen Tochter angefangen bis zur Kohle im Kamin, und auch Elizabeth Armitage war es in der vergangenen Stunde unzählige Male über die Lippen gekommen.
    Hingegen hätte er geschworen, dass es keine der Ehrenwerten Misses Duncan benutzt hatte.
    Weibliche Steuerzahler fordern Stimmrecht.
    Es wäre interessant und sehr erhellend, in Erfahrung zu bringen, wer hinter dem Blatt steht, überlegte er und griff nach seinem Hut. Die Regierung war nach Kräften bemüht, den Einfluss der eigenwilligen Fanatikerinnen und einiger vernagelter Männer, die für das Frauenstimmrecht eintraten, möglichst einzudämmen, doch es war schwierig, eine Bewegung zu verfolgen, die im Untergrund operierte. Die wahren Drahtzieher waren nur schwer ausfindig zu machen. Und wenn er sich nicht sehr irrte, enthielt diese vorgeblich an die Damen der Gesellschaft gerichtete Zeitung mehr Sprengstoff als alles, was ihm bislang in dieser Richtung untergekommen war. Es lag also im Interesse der Regierung, das Blättchen aus dem Verkehr zu ziehen. Waren Herausgeber und Autoren ausgeforscht, gab es eine Vielzahl von Möglichkeiten, dies zu erreichen. Aber wie sollte man sie ausfindig machen?
    Max Ensor trat hinaus in den schwülen Nachmittag und ging, nachdenklich vor sich hin pfeifend , in Richtung Westminster.

Hewlett-Packard
    2.
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