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Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen
Autoren: Wolfgang Wissen
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Teilnahme am Iron Man erzählt!
    „Ich lese gern …“
    Auch uncool. Ich rechnete damit, dass jetzt entweder mitleidiges Lächeln oder gleich lautes Gelächter die Reaktion der fünfzehn anderen sein würde. Aber dazu kam es nicht, denn Herrn Silbers nächste Frage, meine Antwort und vor allem seine Entgegnung darauf ließen allen Anwesenden Fragezeichen auf der Stirn wachsen.
    „Was lesen sie denn gern?“
    „Hm … Krimis …“
    „Aha … Nun, ihre Einstellung war ja auch ein Krimi. Und was für einer!“
    BÄÄM! Da saßen sie nun mit offenen Mündern! Waren sie alle einfach nur mit einem guten Abschluss von der Schule oder aus dem Abitur gekommen, hatten sich bei der damaligen Deutschen Bundespost, beim Postamt Düsseldorf 1, beworben und sind nach bestandenem Eignungstest angenommen worden, so hatte ich doch eine ganz andere Vorgehensweise zu bieten, mit der ich dennoch genau dort gelandet war: im selben Raum wie sie alle.
    Ich hätte es mir ebenso einfach machen können: Zehn Jahre gut in der Schule sein, ein Super-Abgangszeugnis mit Mittlerer Reife kriegen, ein Dutzend Bewerbungen schreiben, überall zu Eignungsprüfungen eingeladen werden und dann am Ende aus drei Zusagen die raus suchen, die mir am meisten gefällt.
    Aber ich machte es anders: Die ersten vier Schuljahre waren noch okay, meine Zensur en auch. Aber dann … ging ich aufs Gymnasium – und von da an ging es eben bergab. Das steigerte sich dann bis zum zehnten Schuljahr in der Form, dass ich mehr oder weniger nicht mehr hin hörte, was die Typen da vorne an der Tafel erzählten.
    Einer der Höhepunkte dieser Steigerung war, dass ich bereits am Ende des achten Schuljahres ein e Nachprüfung in Mathematik ablegen musste, um überhaupt versetzt zu werden. Und genau in dieser Situation war ich im Sommer 1978 dann auch wieder. Wobei die Dramaturgie in diesem Jahr sich noch erheblich von der vorangegangenen unterschied…
    Denn ich wollte ja auf keinen Fall weitermachen mit der Schule. Ich wollte endlich arbeiten! Ich wusste zwar nicht wirklich, was – aber: „Irgendwas mit Menschen … Bank … oder so…“, das war mein Traum. Naja, zumindest versuchte ich es so meinen Eltern zu vermitteln. Diese aber sahen die Lage damals schon wesentlich realistischer als ich. Denn, obschon sie einfache Leute waren, wussten sie: Mit den Noten brauchte sich Sohnemann eine Bank nicht mal von außen anzugucken. (Heute bin ich ihnen für diese Weitsicht dankbar, denn ich wollte schließlich nie ein Verbrecher werden … und wäre ich bei einer Bank gelandet, nun ja … denke man sich seinen Teil.)
    „Irgendwas mit Menschen … wie eine Bank…“, ich sehe meine Mutter heute noch sinnieren, „… Vatter, frag doch mal den Hans, der ist doch bei der Post so’n hohes Tier, der kann da vielleicht was drehen.“
    Mir war’s egal. Dann sollte sich doch dieser Hans, den ich nur vom Ansehen her kannte, dafür einsetzen, dass ich Geld verdienen kann. Ich schrieb also von Hand – ja, damals legten Arbeitgeber darauf tatsächlich noch Wert! – Bewerbung und Lebenslauf, fügte alle bisherigen Zeugnisse bei (bis auf das Abgangszeugnis, denn das hatte ich ja noch nicht, sollte aber nur eine Formalie sein … man kann ja mal träumen…) und alles gab mein Vater dann dem Hans.
    Und der sorgte tatsächlich dafür, dass ich – trotz der großenteils miserablen Zeugnisse – zum Eignungstest eingeladen wurde. Zu dem mich mein Vater mit dem Auto fuhr. Und dieses Mal noch nicht mit ins Gebäude ging. Danke Papa.
    Aber stattdessen gab er mir, kurz bevor ich aus dem Auto steigen wollte, eine kleine Tablette.
    „Aber sag der Mama nix davon! Die macht dich ruhiger, dann schaffst du das schon.“ Okay … Ich würgte sie mir ohne Wasser runter und dachte nicht weiter darüber nach. Sie hat mich, glaube ich, auch nicht wirklich ruhiger gemacht. Wahrscheinlich war es damals schon eine dieser ‚Hallo wach‘-Pillchen, die er eine Zeit lang lutschte wie Hustenbonbons. Ob ich während der Prüfung kerzengerade mit weit aufgerissenen Augen da saß oder mal mit dem Kopf auf den Tisch geknallt bin, das kann mir jedenfalls heute niemand mehr verbindlich sagen.
    Was ich aber selbst noch weiß: Der ganze Test deckte die komplette Skala ab von „kleine Wissenslücken“ bis „Totalausfall“…
    Besonders beim Anblick der Mathematikfragen gingen meine Blicke immer zum Fenster des Prüfungsraumes, weil ich überlegte, ob  ich es schaffen würde, schnell genug dorthin zu spurten, es
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