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Geködert

Geködert

Titel: Geködert
Autoren: Len Deighton
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deine Erklärung?« fragte ich.
    »Eine trostlos langweilige, fürchte ich. Aber nach einem bei diesem Geschäft verbrachten Leben findet man rückblickend, dass man immer wieder bizarren Erklärungen nachgelaufen ist, während die Wahrheit banal und offensichtlich war und man die ganze Zeit mit der Nase hätte draufstoßen können.«
    »Dass Fiona Haus und Kinder verläßt und beim Stasi in den Dienst geht? Dass Bret das Department um Millionenbeträge betrügt, während er in Kalifornien sitzt und den armen Mann spielt? Dass Prettyman aus Washington zurückbeordert und seiner Frau erzählt wird, er sei umgelegt worden? Dass Onkel Silas mir erzählt, was für ein toller Mann Dodo ist, um gleich darauf zu veranlassen, dass er fertiggemacht und zum Schweigen gebracht wird? Nur war ich zuerst da. Dass ein Haftbefehl gegen mich rausgeht, weil ich dem D.G. darüber berichtet habe? Sind das die trostlos langweiligen Erklärungen, die der Wahrheit entsprechen?«

    - 358 -
    Frank sah mich an. Silas Gaunts Doppelspiel hatte ich jetzt zum ersten Mal erwähnt – nicht einmal Werner wusste davon –
    , und ich beobachtete Frank genau. Er nickte, als ginge er in Gedanken noch mal alles durch, was ich gesagt hatte, schien aber nicht überrascht. »Der Haftbefehl ist jedenfalls rausgegangen, ich selbst habe ihn aus dem Fernschreiber gezogen. Willst du ihn sehen?«
    »Der Alte will mich verhaften lassen, weil er Angst hat, dass durch meine Fragerei Fionas Tarnung auffliegt. Sie haben mich nach Kalifornien geschickt, nur damit Bret mich überreden könnte, die ganze Sache fallenzulassen. Charles Billingsly wurde nach Hongkong geschickt, weil er vielleicht im Computer auf Brets Scheinfirma gestoßen war. Cindy Prettyman haben sie den Mund gestopft mit einem schönen Job in Straßburg. Weil Dodo drohte, ihre Geheimnisse auszuplaudern, wurde Prettyman beauftragt, ihm Verschwiegenheit beizubringen.«
    »Das sind doch alles nur Zufälle«, sagte Frank. Aber er hörte mir jetzt aufmerksam zu.
    »Ich nehme an, sie sind verzweifelt, aber wie verzweifelt sie sind, habe ich erst gemerkt, seitdem ich hier gelandet bin. Als ich mit meinen Fragen zum D.G. ging, ist ihnen erst mal nichts Besseres eingefallen, als mich einzusperren, in der Hoffnung, dass ihnen später eine Idee kommen würde, wie sie mich definitiv zum Schweigen bringen könnten.«
    Frank sah mich mitleidig an und sagte: »Setz dich, Bernard, es gibt da noch etwas, das du wissen solltest.«
    Ich setzte mich. »Was?« sagte ich.
    »Es ist anders, als du denkst. Nach dem zweiten Fernschreiben rief ich in London an und bat um Erläuterung.
    Ich dachte … unter den Umständen …«
    »Du hast mit dem D.G. gesprochen? Heute nachmittag?«
    »Das nicht, aber mit dem Deputy.«
    »Und?«

    - 359 -
    »Sir Percy hat es mir im Vertrauen erzählt.«
    »Was hat er dir erzählt?«
    »Sie haben eine Orange Akte über dich angelegt, Bernard.«
    »Über mich?«
    Jetzt hätte er noch nein sagen können, aber er tat es nicht. Er sagte: »Ladbrook kommt mit der Maschine morgen früh.«
    »Du lieber Himmel!« sagte ich. Eine Orange Akte wird angelegt, wenn jemand vom Department des Verrats beschuldigt wird und glaubhaftes Belastungsmaterial gegen ihn bereits vorliegt. Ladbrook ist der leitende Ermittlungsbeamte.
    Ladbrook bereitet die Anklage vor.
    »Verstehst du jetzt?«
    »Du glaubst mir noch immer nicht, was, Frank?«
    »Ich wage nicht, dir zu glauben«, sagte er.
    »Was?«
    »Ich würde lieber glauben, dass der Verdacht gegen dich begründet ist, als dass Fiona da drüben ein doppeltes Spiel spielt. Besonders jetzt, nachdem du dieses Gerede in Gang gesetzt hast. Hast du darüber nachgedacht, was du da sagst?
    Hast du dir mal überlegt, was es für Fiona bedeutet, wenn die drüben was spitzkriegen? Dich würden sie hier ins Gefängnis stecken – aber wenn da drüben rauskäme, dass sie, in ihrer Stellung dort …« Er schwieg. Wir dachten beide an Melnikow, der mit einem von Silas’ Agentennetzen in Verbindung gestanden hatte. Mehr als ein Dutzend Augenzeugen konnten berichten, wie Melnikow lebendigen Leibes in einen Hochofen gesteckt worden war. Der KGB hatte Wert daraufgelegt, dass die Geschichte sich herumsprach. »Pass ja auf, dass du mit deiner Verteidigung nicht deiner Frau das Todesurteil sprichst«, sagte Frank. »Ob, was du sagst, nun der Wahrheit entspricht oder nicht.«
    Ich setzte mich wieder. Es ging mir alles zu schnell. Mir war speiübel, aber es gelang mir, den Brechreiz zu
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