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Gekauftes Spiel

Gekauftes Spiel

Titel: Gekauftes Spiel
Autoren: Stefan Wolf
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echt geklungen hätte.
    »Nancy Drake? Wer soll das
sein?«
    »Die 17jährige Engländerin, die
hier vor sechs Jahren auftauchte. Sie ist durch Europa getrampt und du bist
zwei oder drei Wochen mit ihr rumgezogen. Tu nicht so blöd.«
    »Ach, die. Ja, ich erinnere
mich.«
    Mein Gott!, dachte Roberto.
Seine Stimme klingt belegt, als könnte sich Schuld wie Heiserkeit auf die
Stimmbänder legen. Verflucht!
    »Und wie ich mich erinnere.«
Mario hatte sich gefangen und mimte Fröhlichkeit. »Sie war ein Luder. Ist dann
sang- und klanglos abgehauen. Ich war richtig gekränkt. Kein Abschied. Nichts.
Und später wurde sie von ihrer Mutter gesucht. War das nicht so?«
    Roberto nahm den Hörer ans
andere Ohr. »Jemand hat Nancys Leiche gefunden. Mario, ich werde erpresst. Weil
du dieses Mädchen umgebracht und bei der Casa Corto unter der Ulme vergraben
hast. Davon ahnte ich nichts. Sonst hätte ich das Anwesen nicht verkauft. An
einen Engländer — aber leider nicht einen von der feinen englischen Art,
sondern einen, der die Niedertracht für sich gepachtet hat. Er gärtnert. Er ist
auf die sterblichen Überreste gestoßen. Sie lassen sich eindeutig
identifizieren. Dem Skelett hing noch das Medaillon am Hals. Außerdem hast du
verdammter Idiot ihre gesamten Sachen miteingebuddelt. Der Engländer hat jetzt
nachgeforscht und kennt die ganze Geschichte von damals. Er weiß, dass die Casa
Corto dein Refugium (Zufluchtsort) war, dass du dort mit deinen Kumpels
Orgien gefeiert hast. Dort hast du wahrscheinlich dieses Mädchen umgebracht.«
    In der Leitung blieb es still.
Dann hörte Roberto einen schrecklichen Laut. Schrecklich, weil er es als
Eingeständnis wertete, und auch, weil es die Memmenhaftigkeit verriet, die
Mario ausmachte — trotz seiner »goldenen Beine«, wie es in der Presse immer
hieß, seinem Geschick mit dem Ball.
    Mario schluchzte. Nein, er
heulte. Das Schniefen war jetzt ganz dicht am Hörer, und Roberto konnte sich
vorstellen, wie seinem Sohn die Tränen übers Gesicht liefen.
    »Hör auf zu jaulen!«, sagte
Roberto barsch. »Ich will eine Erklärung hören.«
    Das Schniefen wurde leiser. Mit
einer Stimme wie Stockschnupfen hörte er seinen Sohn sagen: »Du weißt nicht,
wie furchtbar ich all die Jahre gelitten habe. Es ist ein ständiger Albtraum.
Ich weiß, es war ein Riesenfehler, Nancy einfach zu verscharren. Und es war
würdelos. Und feige. Aber ich hatte damals furchtbare Angst, dass man mir und
damit auch dir, Vater, einen Strick daraus drehen würde.«
    Er japste nach Luft wie ein
Ertrinkender. »Vater, ich habe Nancy nicht umgebracht. Das glaubst du doch
nicht im Ernst! Ich hatte sie gern. Sie war ein nettes Mädchen. Aber sie war
krank. Unheilbar krank.«
    »Was?! Erzählst du jetzt
Märchen?«
    »In jener Nacht, Vater, hatten
Nancy und ich in Enzos Trattoria gefeiert. Es war spät geworden. Wir sind dann
zur Casa Corto gefahren, um dort zu übernachten. Stunden später bin ich aufgewacht
— und Nancy war tot. Sie ist im Schlaf gestorben. Friedlich. Aber ich... bin in
Panik geraten. Ich hatte gesehen, dass sie sich in die Armvene spritzt. Ich
habe nicht gefragt, aber gedacht, sie sei süchtig. Habe geglaubt, sie nimmt
Drogen. Und du weißt doch, was damals los war. Die Polizei hatte mich und meine
Kumpels im Visier. Wir haben keine Drogen genommen. Niemals. Aber ansonsten
waren wir eine schlimme Clique. Ich hatte Angst, dass man mir etwas anhängen
würde. Ich wusste ja nicht, dass es ein Medikament war, das sich Nancy
gespritzt hat. Deshalb habe ich sie... einfach verscharrt. Wie es wirklich um
sie stand, habe ich erst erfahren, als ihre Mutter nach ihr suchte. Nancy war
krank, unheilbar krank. Sie wusste, dass sie nicht mehr viel Zeit hat. Aber sie
wollte noch ein bisschen was sehen von der Welt. Deshalb hatte sie sich als
Anhalterin ohne Geld auf die Reise begeben, durch Europa bis nach Südtirol, bis
zu uns.«
    »Mario! Ist das die Wahrheit?«
    »Ich schwöre es dir, Vater.
Beim Andenken an Mutter.«
    »Warum hast du mir nichts
gesagt?«
    »Ja, warum? Erinnere dich mal,
wie wir damals miteinander umgingen. Du hattest wenig Grund, auf mich stolz zu
sein. Das kam erst später, als ich mich sportlich entwickelt habe. Damals,
Vater, herrschte Kriegszustand.«
    Roberto seufzte. »Ich weiß. Du
hattest kein Vertrauen zu mir. Wahrscheinlich wäre alles anders gekommen, hätte
Mutter noch gelebt.«
    »Sie hat mich immer so
genommen, wie ich war. Auch als ich ein miserabler Schüler war, ein
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