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Gekauftes Spiel

Gekauftes Spiel

Titel: Gekauftes Spiel
Autoren: Stefan Wolf
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dachte Tim.
Bestürzung auf allen Gesichtern. Und das ist die richtige Reaktion. Mann o
Mann!
    »Ich frage nur der Ordnung
halber«, sagte er. »Du hast beide deutlich gesehen, Pfote? Es war hell genug in
dem Raum? Du hast die Gesichter gesehen und nicht ihn oder sie nur von hinten?«
    »Falls ihr Zweifel habt, Jungs,
die könnt ihr dort in der Sprunggrube einbuddeln. Es ist, wie ich sage.«
    Diese Stille, dachte Tim. Das
Stadion ist leer bis auf uns. Alle sind gegangen. Nachher werden Hobbysportler
kicken oder auf der Aschenbahn rennen. Jetzt gehört das Stadion den Dohlen und
anderen Rabenvögeln, die ziemlich ungeniert auf die Tribünenplätze kacken.
    »O Mann!«, sagte Klößchen. »So
was ist verboten. Tatjana ist 15, Erik ist 26. Er ist ihr Englischlehrer und
ihr Trainer. Das heißt, er hat sich rangemacht an eine Minderjährige, die
außerdem von ihm abhängig ist.«

    »Missbrauch von
Schutzbefohlenen nennt man das juristisch«, nickte Karl. »Ist geregelt in
Paragraph 174 Strafgesetzbuch. Dem Lehrer drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis
und natürlich Entlassung aus dem Schuldienst. Salk muss verrückt sein.«
    »Verrückt nach Tatjana«, sagte
Gaby dumpf.
    Tim war elend zumute. Eben
hatte ein Vorbild seine Wertschätzung verspielt. Trotzdem fühlte er sich
verpflichtet, diese Ungeheuerlichkeit abzuschwächen.
    »Ich vermute mal, es wird zu
nichts anderem kommen. Sie haben sich nur geküsst.«
    »Das reicht doch«, sagte Gaby.
»Küssen mit Ringergriff.«
    Wieder schwiegen sie.
    Nach einer Weile sagte Karl:
»Und? Was machen wir?«
    »Mir ist klar«, flüsterte Gaby,
»mit meiner Beobachtung haben wir die A... karte gezogen. Wie wir uns auch
entscheiden — es richtet Schaden an.«
    »Hm.« Tim nahm seine
Baseballkappe ab und drehte den Schirm nach vorn, um die Augen vor der Sonne zu
schützen. »Klopfen wir mal die Argumente ab. Tatjana ist ein leichter Vogel und
ziemlich bedenkenlos. Sie entscheidet meistens nicht richtig für sich, braucht
also Korrektur von außen, sonst gerät sie eines Tages unter die Räder. Ihre
Eltern, ihre Familie leisten das offenbar nicht. Vater Jonathan Fender ist zwar
als internationaler Schiedsrichter die große Nummer, aber er hat sich Todfeinde
gemacht — durch fragwürdige Entscheidungen. Zurzeit wird er von Psychopathen
und Fanatikern bedroht, dass man um sein Leben fürchten muss. Außerdem ist er
als Mensch so beliebt wie ein Serientäter. Seine Kotzbrockenart kommt einfach
nicht an. Er hat also mit sich zu tun und ist seinen Töchtern keine Hilfe. Außerdem
gibt’s da noch ein Geheimnis, wie ich zufällig erfahren habe, das er vor der
Öffentlichkeit sorgsam verbergen muss.«
    »Tatsächlich?«, fragte Karl.
    »Was denn?«, forschte Klößchen.
    Gabys Blick hing an
Tims Lippen.
    Aber der TKKG-Häuptling wehrte
ab. »Das erzähle ich euch später. Jetzt würde es nur ablenken. Zusammenfassend
muss man also feststellen: Tatjana braucht Schutz.«
    »Diese Heuchelei!«, rief Gaby
plötzlich. »An den beiden sind Schauspieler verloren gegangen. Erik wäscht ihr
den Kopf, tut besonders streng mit ihr. Sie gibt sich geknickt, hat sich bei
uns sogar beschwert über ihn, dass er sie ungerecht behandele. Er hätte was
gegen sie. Damit haben sie sich getarnt.«
    »Na ja«, murmelte Klößchen. »Es
wäre doch bescheuert gewesen, hätten sie sich mit liebestollen Blicken
bombardiert.«
    »Wieder mal typisch!«, fauchte
Gaby. »So denken Jungs. Strategisch, mit Arglist und Ziel. Als könnte man bei
einer Liebelei die Gefühle abschalten.«
    »Pfote«, sagte Tim, »nicht bei
jeder Verstellung spielt Gefühlskälte mit.«
    »Aha! Ich bin trotzdem
schockiert. Also, mach du mal weiter mit deinen Argumenten.«
    »Gut, dann beleuchte ich mal
Erik. Alle Schüler verehren ihn. Er ist hilfsbereit, gerecht, setzt sich für
uns ein und macht den spannendsten Englischunterricht. Wie habe ich erst vorige
Woche festgestellt: Bei Erik wird Shakespeare zum Thriller. Und dabei braucht’s
bei ihm keine Filmproduktion. Will sagen: An Erik haben wir einen Pauker nach
Wunsch, obwohl er ja erst Referendar ist, also fast noch auf Probe. Und dann
sein Sportunterricht. Sogar Klößchen macht es Spaß. Erik hat die
Mädchenmannschaft gegründet. Erik will mit euch die nächste
Champions-League-Saison eröffnen. Eine Superwerbung für den Frauenfußball. Ihr
im Rahmenprogramm, als Vorspiel vor dem großen Match. Wie ich ihn kenne, wird
er das managen. Und dann werden wir alle ihm dankbar sein. Doch nun?
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