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Gekauftes Spiel

Gekauftes Spiel

Titel: Gekauftes Spiel
Autoren: Stefan Wolf
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Obstbäume. Macht Spaß, hält fit
und irgendwie muss man ja seine Zeit totschlagen. Was ich jetzt zu erzählen
habe, hat mit dem Umgraben zu tun. Stellen Sie sich vor: Hinter dem Haus, fast
genau unter der Ulme, bin ich auf ein Grab gestoßen. Auf ein Grab mit einer
Toten drin. Da staunen Sie, was?«
    Roberto spürte, wie sein Atem
stockte, und ein elendes Gefühl stieg in ihm auf. Er schluckte unmerklich, sagte
dann: »Vielleicht hätte ich’s Ihnen sagen sollen. Die Gegend war früher ein
Friedhof. Ist aber schon lange her, seit er aufgelassen wurde. Hier hat man’s
nicht so mit dem Umbetten. Wenn Sie weiter rumbuddeln, werden Sie noch mehr
Gräber finden.«
    Wilson begann zu lachen. Er
lachte herzlich und laut wie über einen gelungenen Witz. »Diese blöde
Erklärung, Clausen, hat Ihnen wohl die schiere Panik eingegeben. Nein, mein
Verehrter, auf dem Grundstück findet sich sonst kein einziger Knochen. Nur
dieses eine Grab. Es ist sechs Jahre alt. Die Tote — ein blondes Mädchen —
lässt sich so leicht identifizieren, als hielte sie ihren Ausweis in den
Skeletthänden. Die Kleider, der Rucksack — alles ist dabei. Und sie trägt am
goldenen Kettchen ein Medaillon um den Hals. Das heißt, sie trug es. Ich habe
es an mich genommen.«
    Roberto schwieg. Kälte schien
sich in ihm auszubreiten. Nicht nur die Zunge fühlte sich an wie gelähmt. Mit
dieser Eröffnung des verdammten Engländers hatte er nicht gerechnet. Eine
Katastrophe! Es gab keine Erwiderung. Jeder Versuch einer Erklärung wäre albern
gewesen.
    Wilson grinste. »Ich habe
sorgfältig recherchiert (nachgeforscht). Natürlich unauffällig. Das
Geschehen ist belegt. Bei der Toten handelt es sich um eine 17jährige
Engländerin. Nancy Drake. Sie reiste per Anhalter durch Europa. Vor sechs
Jahren im Sommer ist sie hier gestrandet, um das mal so zu nennen. Und ist
gleich an Ihren Sohn geraten, Clausen. Die beiden waren von der gleichen
Strickart und haben sich offenbar bestens verstanden. Jedenfalls sah man sie
sehr häufig zusammen. Nancy gehörte zur Clique. Dann war sie plötzlich weg und
niemand hat es gekümmert. Bis bei der Polizei eine Suchmeldung einging. Das war
Wochen später. Nancys Mutter hatte nichts mehr von ihrer Tochter gehört und machte
sich Sorgen. Nancy hatte ihren letzten Brief von hier abgeschickt. Das letzte
Lebenszeichen. Nun, die Bullen haben sich an Ihren Sohn gehalten, Clausen. Und
Mario hat behauptet, Nancy wäre weitergereist. Per Anhalter, wie es ihre Art
war. Nancy tauchte nie wieder auf. Vermisst für alle Zeiten. Eine unerledigte
Akte. Mario wurde nur einmal vernommen, denn immerhin ist er Ihr Sohn, Clausen,
und Ihnen tritt man nicht gern auf die Füße. Tja, jetzt wissen wir, wo Nancy
geblieben ist.«
    Roberto brachte kein Wort
heraus.
    »Ich sag’s noch mal.« Wilson
grinste. »Die Tote ist leicht zu identifizieren. Schon allein hierdurch.« Er
griff in die Tasche und zog ein kleines goldenes Medaillon hervor. Es hing an
einem Kettchen. Offensichtlich hatte er das Metall blank gerieben und poliert.
Es glänzte in der Sonne. Wilson drückte auf den Verschluss und das Medaillon
klappte auf.
    Roberto blickte auf das
winzige, erstaunlich gut erhaltene Foto einer Frau: ein rundes, freundliches
Gesicht mit gütigen Augen.
    »Vermutlich die Mutter«, sagte
Wilson. »Wahrscheinlich hofft sie noch immer, dass Nancy irgendwann
zurückkommt. Traurig, was?! Und besonders traurig für Ihren Sohn, Clausen,
falls diese Sache ans Licht kommt. Dann stürzt nicht nur ein Fußballidol von
seinem Sockel. Schlimmer noch — dann stecken sie Mario für zehn Jahre in den
Knast. Mehr gibt’s leider nicht, denn zur Anwendung käme ja das
Jugendstrafrecht. Aber davor kann diesen Mistkerl nichts retten. Weder Ihr Geld
noch Ihr Einfluss. Sie wären machtlos, Verehrtester.«

2. Küssen
mit Ringergriff
     
    Eine beträchtliche Strecke
weiter nördlich in Europa, doch zur gleichen Zeit, hatten sich Tim, Karl und
Klößchen bequem auf dem Rasen ausgestreckt. Der Rasen gehörte zum Fußballfeld,
aber der Liegeplatz der Jungs befand sich jenseits der Außenlinie.
    Klößchen lag rücklings und
balancierte ein Stück Schokolade auf der Nasenspitze. Das Spielgeschehen
interessierte ihn nicht sonderlich. Karl polierte soeben zum dritten Mal seine
Brille.
    Tim lag auf der Seite, stützte
einen Ellbogen auf und den Kopf in die Hand. Keinen Blick ließ der
TKKG-Häuptling von dem Match, das jetzt in die letzten Minuten ging. Ab und zu
ertönte ein
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