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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd
Autoren: Jo Clayton
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möchte, daß irgend jemand versteht, weshalb mein Vater sterben muß -nein, das ist nicht ehrlich. Ich möchte wenigstens diesen Luxus hier haben: ehrlich zu mir selbst sein zu können und zu jedem, der diese Zeilen liest. Ich weiß nur zu gut, daß ich bisher höchstens während einiger weniger Zeitsplitter ehrlich, richtig ehrlich war - zu mir selbst oder Metis gegenüber ~
    und auch in diesen Stunden mit ihr nicht sehr oft… deshalb… deshalb werde ich meinen Vater töten, und die übrigen, die Aghir-Tejed.
    Diese Chance wird niemals wiederkehren, dieser Anlaß, der sie alle unter einem Dach versammelt.
    Warum?
    Dir, der du diese Zeilen liest, braucht nicht gesagt zu werden, weshalb die Tejed getötet werden müssen. ..
    Warum ich?
    Weil ich die einzige bin, die dafür sorgen kann, daß es vollbracht wird, weil…
    Eines Nachts im letzten Jahr kam Acthon zu mir, so wie ich es ihm gezeigt hatte, durch die Mauern . ..
    Sie reckte sich, legte die Schreibfeder neben dem Buch nieder und starrte auf das Flackern der Blitze außerhalb des Energiedomes.
    Sie spürte ein Ziehen. In ihrem Traum war es ein Tiktik, das auf ihrem Arm entlangkrabbelte, sechs sechsgliedrige Füße, kühl und trippelnd auf ihrer Haut. Ein weiteres Ziehen. Es war Jantig, ihre nächstälteste Schwester, die sie anfauchte und an ihrem Arm zerrte.
    Undeutlich war ihr bewußt, daß dies nicht stimmte. Jantig war vor zwei Jahren verheiratet worden - an einen Händler von der Cladin-Gruppe. Abermals ein Zischen, ein Drängen darin eingewoben, ihr Name, ein Klatschen auf ihre Wange. Stöhnend tauchte sie aus unbehaglichem Schlaf empor und sah Acthon über sich gebeugt. Sie tastete umher, vergewisserte sich, daß die schmalen Bänder ihres Nachthemdes dort waren, wo sie sein sollten, schob die Decken zurück und setzte sich auf. Sie rieb sich die Augen, versuchte eine Art Ordnung in ihren müden, schmerzenden Kopf zu bringen. „Was ist los?”
    Acthon saß auf dem Bett und blickte sie an. „Du weißt von dieser Konferenz, die er durchzusetzen versucht?” Er sprach Kalyen-Tejs Namen niemals aus, wenn er nicht dazu gezwungen war.
    Sie ließ die Hände sinken, bis sie auf den Oberschenkeln ruhten.
    „Nun?” Sein Gesicht, eine jüngere Version von Kaiyens Gesicht, war in eine grüblerische, ärgerliche Miene gefaßt. Manchmal fragte sie sich, weshalb sie ihn seines Gesichtes wegen nicht haßte, doch es stand außer Zweifel - hinter diesem Äußeren war er grundverschieden von ihrem Vater. Er war weit mehr Gyolls Sohn als derjenige Kaiyens.
    „Heute abend hat er mit Aretas gesprochen. Hat ihn dazu bewegt, seine Zustimmung zu geben.”
    „So? Du wußtest, daß er das tun würde, so oder so.” Ihre Hände schlossen sich langsam zu Fäusten. Sie beugte sich ihm entgegen.
    „Weshalb bist du hier?”
    „Lanten-Tej will jemanden haben, der ihm seine Nächte versüßt.
    Seine letzte Frau hat sich vor ein paar Monaten umgebracht.”
    „Mich?”
    „Du hast begriffen. Lanten wünscht die Hochzeit vor der Konferenz abzuhalten. Er bestand auf hinterher, er vertraut Aretas nicht weiter, als er ihn werfen könnte, doch schließlich mußte er nachgeben, denn Aretas war zu keiner anderen Übereinkunft zu bewegen.”
    Sie saß stumm da, so kalt im Innern, daß sie sich nicht rühren, nicht denken konnte.
    „Du möchtest hinaus?” Er beugte sich zu ihr herüber. „Ich kann dich zu Elf in die Wildnis bringen.”
    Sie machte einen langen, zittrigen Atemzug und zog die Knöchel über ihre Stirn. „Ich kann nicht denken. Wie ist Aretas? Du hast Vater begleitet, als er während der ersten Gesprächsrunde hin und her gependelt ist.”
    „Erinnerst du dich an Großvater?”
    „Nein. Aber ich habe gehört, was man von ihm erzählt.”
    „Verschlimmere, was du gehört hast, füge einen Körper wie den einer aufgeblasenen Kröte hinzu.”
    „Mein Bräutigam. Geh jetzt, Bruder, ich muß nachdenken, und das kann ich nicht, wenn du hier bist.” Sie warf die Haare zurück, lächelte Acthon an, der vom Bett rutschte, daneben stehenblieb und ernst auf sie herunterschaute. „Wenn du kannst, komm morgen nacht wieder.” Er nickte und wandte sich zum Gehen. „Und danke, Bruder”, rief sie leise.
    Sie schrieb hastig nieder, was ihr von ihrem Bruder mitgeteilt worden war. Ein Jahr lag sie zurück, diese Nacht, eine Nacht, in der sie den Raum durchschritten und mit unmöglichen Alternativen gerungen hatte, bis draußen der Himmel hell geworden war. Sie drückte eine neue
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