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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher
Autoren: J Deaver
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routinemäßig auf Sprengstoff überprüft.
    »Nein, ohne Bums. Aber das Räumkommando hat sie ins Speziallabor geschickt, um nach biologischen oder chemischen Wirkstoffen zu suchen. Offenbar zweimal das gleiche Uhrenmodell. Gruselig, hat einer der Kollegen gesagt. Mit einer Anzeige für die Mondphase auf dem Zifferblatt. Oh, und nur für den Fall, dass wir begriffsstutzig sind, hat er unter den Uhren eine Nachricht hinterlassen. Einen Computerausdruck. Nichts Handschriftliches.«

    »Und sie lautet...?«
    Sellitto verließ sich nicht auf sein Gedächtnis, sondern zog seinen Notizblock zu Rate. Das wusste Rhyme an dem Detective ganz besonders zu schätzen; Lon mochte kein Genie sein, aber er ließ nie locker, tat alles mit Bedacht und machte keine Fehler. Sellitto las vor: »›Der Kalte Vollmond steht am Himmel und scheint auf den Leichnam der Erde, bezeichnet die Stunde des Todes und das Ende der Reise, die mit der Geburt begann.‹« Er sah Rhyme an. »Es ist unterzeichnet mit ›der Uhrmacher‹.«
    »Wir haben zwei Opfer und ein Mondmotiv.« Der Verweis auf einen astronomischen Zusammenhang bedeutete häufig, dass der Mörder mehrfach zuschlagen wollte. »Er ist noch nicht fertig.«
    »He, was glaubst du wohl, warum ich hier bin, Linc?«
    Rhyme warf einen Blick auf den Anfang seines Briefes an die Times . Dann schloss er das Textverarbeitungsprogramm. Der Aufsatz über vorher und nachher würde warten müssen.

... Drei

    Ein leises Geräusch vor dem Fenster. Schnee knirschte.
    Amelia Sachs hielt inne und schaute hinaus auf den friedlichen weißen Garten. Es war niemand zu sehen.
    Sie befand sich eine halbe Stunde nördlich von New York, allein in einem alten Vorstadthaus im Tudorstil. Hier drinnen war es totenstill. Welch passende Analogie, dachte sie. Der Besitzer des Hauses weilte nämlich nicht mehr unter den Lebenden.
    Wieder das Geräusch. Sachs war ein Stadtkind und an die Kakophonie urbanen Lärms gewöhnt – im Guten wie im Schlechten. Diese Störung der ausgeprägten vorstädtischen Ruhe ließ sie aufmerken.
    Waren das Schritte gewesen?
    Die hochgewachsene rothaarige Polizistin, die eine schwarze Lederjacke, einen marineblauen Pullover und schwarze Jeans trug, lauschte sorgfältig einen Moment lang und kratzte sich geistesabwesend am Kopf. Dann hörte sie erneut dieses Knirschen. Sie öffnete den Reißverschluss der Jacke, um schneller an ihre Waffe gelangen zu können. Geduckt warf sie einen weiteren kurzen Blick nach draußen. Und konnte nichts entdecken.
    Also machte sie sich wieder an die Arbeit. Sie setzte sich auf den luxuriösen ledernen Bürostuhl und fing an, den Inhalt des riesigen Schreibtisches zu sichten. Es war eine frustrierende Beschäftigung, denn sie wusste nicht genau, wonach sie eigentlich Ausschau hielt. So verhielt es sich oft, wenn man einen sekundären Tatort untersuchte – oder einen tertiären oder viertrangigen, wie auch immer man den nennen mochte. Genau genommen konnte hierbei sogar kaum von einem Tatort die Rede sein. Es war unwahrscheinlich, dass sich jemals ein Täter hier aufgehalten hatte, und genauso wenig war hier eine Leiche vorgefunden oder Diebesgut versteckt worden. Es handelte sich einfach nur um das wenig benutzte Domizil
eines gewissen Benjamin Creeley, der meilenweit entfernt von hier gestorben war und dieses Haus in der Woche vor seinem Tod nicht aufgesucht hatte.
    Dennoch musste Amelia Sachs es durchsuchen, und zwar gründlich, denn sie befand sich nicht in ihrer gewöhnlichen Funktion als Tatortermittlerin hier. Sie war der leitende Detective in ihrem ersten eigenen Mordfall.
    Draußen knackte etwas. Eis, Schnee, ein Ast, ein Reh, ein Eichhörnchen... Sie ignorierte es und setzte die Suche fort, die einige Wochen zuvor begonnen hatte, und das nur wegen eines Knotens in einem Baumwollstrick.
    Das besagte Stück Wäscheleine hatte dem Leben des sechsundfünfzigjährigen Ben Creeley ein Ende gesetzt. Man fand ihn in seinem Haus an der Upper East Side vor. Er hing am Treppengeländer, auf dem Tisch lag ein Abschiedsbrief, und auf den ersten Blick deutete nichts auf ein Gewaltverbrechen hin.
    Doch kurz nach dem Tod des Mannes wandte Suzanne Creeley, seine Witwe, sich an das New York Police Department. Sie glaubte einfach nicht daran, dass er sich umgebracht haben sollte. Der wohlhabende Geschäftsmann und Wirtschaftsprüfer sei zwar in letzter Zeit launisch gewesen, aber nur, weil er bis spät in die Nacht an ein paar besonders schwierigen Projekten habe
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