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Geheimnisvoll und unwiderstehlich

Geheimnisvoll und unwiderstehlich

Titel: Geheimnisvoll und unwiderstehlich
Autoren: Nina Harrington
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hatte keine Ahnung, dass es so schwer werden würde. Die ersten Tage waren fantastisch, wir hatten viel Spaß miteinander. Aber an jenem Morgen, als wir nach dem Frühstück aufgebrochen sind, spürte ich genau, dass etwas nicht stimmte.“
    Hal stützte sich erneut auf seine Krücke. Bestimmt tat ihm das Bein vom Stehen inzwischen weh, aber er rührte sich nicht vom Fleck.
    „Der Tag war wunderschön“, sagte er versonnen. „Ein strahlend blauer Himmel, der Schnee glitzerte in der Sonne. Innerlich fühlte ich mich fast ein wenig schuldig, weil ich so fit und gesund war. Aber das behielt ich natürlich für mich. Nach ein paar Stunden waren wir die einzigen Bergsteiger im weiten Umkreis. Wir kamen an eine sehr gefährliche Stelle, an einen schmalen Abhang, den wir nur gemeinsam bewältigen konnten. Während des Aufstiegs hatten wir nicht viel geredet, aber plötzlich fing Tom an. Er erzählte mir, dass sein Vater an Krebs gestorben war. Damals war er noch ein kleiner Junge gewesen. Trotzdem konnte er sich noch gut daran erinnern, wie hilflos er sich gefühlt hatte.“
    Mimi fiel plötzlich auf, wie fest er seine Krücke umklammert hielt, sodass seine Knöchel fast weiß wirkten.
    „Er sagte mir, dass er Aurelia eine solche Qual auf jeden Fall ersparen wollte. Dafür liebte er sie viel zu sehr. Deshalb hatte er sich entschlossen, seinem Leben in den Bergen ein Ende zu setzen. Auf diese Weise wollte er die Kontrolle zurückgewinnen, die ihm durch die Krankheit genommen worden war.“
    Hal holte tief Luft. „Du kannst dir vorstellen, wie ich darauf reagiert habe. Ich nannte ihn sogar einen Feigling, der es sich viel zu leicht machte und es den anderen überließ, die Scherben aufzusammeln. Und ich sagte ihm, dass ich damit nichts zu tun haben wollte.“
    Er konnte nicht weitersprechen. Mimi wusste, dass sie ihm jetzt nicht helfen konnte. Da musste er allein durch.
    „Nach einer Weile wurde ich wirklich wütend auf ihn. Ich nannte ihn einen Egoisten und flehte ihn an, es sich noch einmal zu überlegen. Schließlich wurden gegen Krebs ja dauernd neue Behandlungen erfunden, und vielleicht gab es bald auch ein Mittel gegen seine Krankheit. Aber Tom hatte die Optionen seit Wochen durchgespielt. Er wusste, was er tat.“
    Hal wischte sich rasch über die Augen. „Er nahm mir das Versprechen ab, Aurelia nichts davon zu sagen. Und es hat mir wirklich das Herz gebrochen.“ Mit gepresster Stimme fuhr er fort: „Dann umarmte er mich noch einmal, lächelte sogar und sagte, dass er mich vermissen würde. Er sprach noch einmal über all die verrückten Sachen, die wir miteinander unternommen hatten. Es war wirklich sehr berührend, wir lachten viel. Dann hörte er plötzlich auf zu lachen und sagte: ‚Erzähl es ihr, wenn die Zeit reif ist.‘ Dabei weinte er – es war das erste Mal, dass ich ihn überhaupt hatte weinen sehen. Und als ich dadurch für den Bruchteil einer Sekunde kurz abgelenkt war, hakte Tom das Seil auf, das uns miteinander verband, sagte mir, dass er mich wie einen Bruder liebte, trat zwei Schritte nach vorn und stürzte den Berg hinab – tief unten auf die Felsbrocken.“
    Jetzt hielt es Mimi nicht mehr auf der Bank. Sie sprang auf und ging mit schnellen Schritten zu ihm. Dann nahm sie schweigend seine Hand.
    So standen sie eine Weile, bis Hal plötzlich tief Luft holte. Endlich wagte sie es, ihn anzuschauen. Er war tief erschüttert.
    „Wahrscheinlich war es der Schock, ihn über die Klippe stürzen zu sehen, der mich zuerst gelähmt hat. Aber dann habe ich sofort reagiert. Schließlich war Tom mein bester Freund. Ich musste ihn retten.“
    Er zuckte die Schultern. „Aber es war bereits zu spät. Das Seil war einfach nicht lang genug. Ich konnte auch keinen Keil in die Felswand treiben. Daher habe ich mein Messer genommen, es in eine Felsspalte gesteckt und gehofft, dass es mein Gewicht halten würde. Aber das hat es nicht getan. Und ich bin gestürzt. Was für ein Held, oder?“
    „Unsinn, wenigstens hast du es versucht. Darauf solltest du stolz sein.“
    „Stolz? Auf halbem Weg nach unten war mir bereits klar, dass Tom sich das Genick gebrochen hatte. Ich konnte ihm nicht mehr helfen.“
    Hal ließ Mimis Hand los und humpelte ein paar Schritte weiter.
    „Verstehst du jetzt, warum ich Aurelia oder Poppy nichts von den Umständen des Unfalls erzählen konnte? Ich habe Tom versprechen müssen, sein Geheimnis zu bewahren. Und ich habe mein Wort gehalten, obwohl es mich innerlich zerrissen hat.
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