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GEHEIMNISSE DER NACHT

GEHEIMNISSE DER NACHT

Titel: GEHEIMNISSE DER NACHT
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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wünschte bei Gott, sie wüsste es. „Ein Meisterwerk braucht Zeit, … und es ist … so unberechenbar.“
    „Ich brauche noch ein Projekt für den Herbst. Ich halte eine Spalte für dich frei, Morgan. Drei Monate. Ich brauche das Material in drei Monaten. Schaffst du das? Es über den Sommer zu schreiben und mir bis September zu schicken?“
    Sie hob ihr Kinn, schluckte verkrampft, und sagte. „Ja. Ich werde es bis September fertig haben. Kein Problem.“
    Großes Problem.
    „Toll“, freute sich David. „Du kannst das schaffen, Morgan. Du wirst richtig gut sein.“
    „Natürlich werde ich das.“
    „Brauchst du sonst noch etwas?“
    „Nein, nein, es geht mir gut.“
    „Dein Erspartes reicht noch aus?“
    Die Wahrheit konnte Morgan ihm einfach nicht gestehen. Sie hatte auf Davids Anraten hin ihre Konten geleert, ehe die Anwälte und Gläubiger an ihr Geld gelangen konnten, und sie hatte noch das Bargeld von ihrem Auto. Aber auch wenn sie keine Miete bezahlen musste, gab es andere Ausgaben. Das Telefon, die Elektrizität, und essen musste sie auch. Die Wahrheit war, dass das Geld auf ihrem Girokonto ihr durch die Finger floss.
    „Es geht mir gut“, sagte sie deshalb.
    „Gut. Gut. Lass mich wissen, wenn du irgendetwas brauchst.“
    „Mach ich, David.“
    Einen Augenblick lang schwieg er. „Wie steht es mit deiner Gesundheit?“
    Sie atmete scharf ein und seufzte. „Du weißt, ich kann es nicht leiden, wenn man mich für kränklich hält.“
    „Habe ich gesagt, du wärest kränklich?“
    „Nein.“
    „Und?“
    „Die kalte klare Luft hier oben wirkt wahre Wunder“, log sie erneut. Was konnte sie ihm sonst sagen? Die Wahrheit? Dass es kalt, trostlos und feucht war und sie es hasste, wenn ein später Apriltag, an dem es 15 Grad warm wurde, schon eine Hitzewelle darstellte? Während sie normalerweise bei 26 Grad neben dem Pool an ihrer Sommerbräune arbeitete, wäre sie zu Hause gewesen?
    Aber es brachte ja nichts, sich etwas Unerreichbares zu wünschen.
    „Ich sollte Schluss machen, David“, flüsterte sie, während ein Klumpen in ihrer Kehle sie am Sprechen hindern wollte. „Wenn ich bis Herbst fertig sein soll, muss ich mich wirklich an die Arbeit machen.“
    „Okay, Schatz. Ruf einfach an, wenn du etwas brauchst.“
    „Mach ich, David. Danke.“
    Morgan legte den alten Hörer auf seine Gabel und biss auf ihre Unterlippe. Sie drehte den klapprigen Holzstuhl in Richtung des Computerbildschirms, versicherte sich noch einmal, dass wirklich niemand darin saß, und setzte sich endlich hin. Sie legte ihre Hände über die Tastatur und befahl sich selbst, etwas zu schreiben, jetzt, heute, sonst musste sie aufgeben und sich einen Job suchen. Das Problem war nur, sie konnte nichts.
    Schreiben war das Einzige, was sie je wollte, und sie war früher gut gewesen. Oder … wenigstens hatte sie das gedacht. In der Schule waren ihre Aufsätze immer gelobt worden. Die Theatergruppe hatte sogar eines ihrer Stücke aufgeführt. Alle hatten es gemocht. Die Kritiker auf dem Campus, die Lokalpresse …
    Aber damals war sie noch Morgan De Silva gewesen, die brillante Tochter eines berühmten Regisseurs und einer beliebten Schauspielerin, das Mädchen mit dem verzauberten Leben, dem der Erfolg sicher war. Jetzt war sie Morgan De Silva, in Ungnade gefallen, weg vom Fenster, mittellos, obdachlos, aus der Stadt vertrieben in eine Zukunft, die düsterer war, als sie es sich noch vor einem Jahr hatte ausmalen können.
    Jetzt … jetzt wusste sie nicht mehr, ob sie wirklich Talent besaß oder ob es die ganze Zeit ihr Name gewesen war, der das Lob eingebracht hatte. Sie wusste überhaupt nichts mehr, nicht, wer sie war oder was sie machte oder warum die Worte aufgehört hatten zu fließen. Es schien, als wäre die Quelle in ihrem Inneren Teil der Illusion, die ihr ganzes Leben gewesen war. Als wäre sie ausgetrocknet, in dem Moment, als die Illusion in Scherben zersprang.
    Sie senkte ihre Hände, ohne auch nur ein Wort auf den Bildschirm gebracht zu haben. Draußen heulte der Wind; die Lichter flackerten, gingen aus und kamen gleich darauf zurück. Das alte Haus ächzte im Wind. Wahrscheinlich würde sie selbst auch stöhnen, wenn sie so alt wäre wie das Haus. Und dann fragte sie sich, wie alt genau das sein mochte.
    Diese Tagebücher … Es hatten keine Daten darin gestanden, aber sie waren offensichtlich vor langer, langer Zeit geschrieben worden. Wenigstens vor einem Jahrhundert – vielleicht eher vor zweien.
    Vorhin
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