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GEHEIMNISSE DER NACHT

GEHEIMNISSE DER NACHT

Titel: GEHEIMNISSE DER NACHT
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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ihnen Äste!“
    Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Sicher dachte sie sich nur Geschichten aus.
    „Oh, Dante, aber es stimmt“, beschwor sie mich. Und ihr Blick hielt meinen gefangen, ihre Worte waren nur für mich bestimmt, dessen war ich mir sicher. „Eines Tages wirst auch du diese Dinge sehen. Eines Tages werde ich sie dir selbst zeigen.“ Sie streckte ihre Hand aus und fuhr mir durch die Haare. Dann beugte sie sich zu mir hinab und flüsterte mir ins Ohr. „Du bist mein ganz besonderer Junge, Dante. Du und ich, wir sind auf eine Art verbunden, die stärker ist selbst als die Bindung zu deiner eigenen Mutter. Merke dir meine Worte gut. Ich werde eines Tages zu dir zurückkehren. Wenn du mich brauchst, werde ich kommen.“
    Ein unerklärliches Zittern durchfuhr meinen Körper.
    Im selben Moment erstarrte ich. Das Keifen meiner Großmutter war nicht zu überhören. „Ausgestoßen!“, schrie sie, kam aus ihrem Zelt gerannt und fuchtelte mit ihrem Finger in Sarafinas Richtung, wie man es tat, um das Böse abzuwehren – die zwei mittleren Finger angelegt, der Zeigefinger und der kleine Finger ausgestreckt. Sie zischte dabei, sodass ich unwillkürlich an eine Schlange mit einer gespaltenen Zunge denken musste.
    Die Kinder rannten in alle Richtungen davon. Sarafina aber erhob sich langsam, und so anmutig, wie es nur ging. Nur ich blieb bei ihr stehen. Ohne nachzudenken stand ich ebenfalls auf und drehte mich zur Großmutter um, als wollte ich die bezaubernde Sarafina beschützen. Als könnte ich es wirklich. Ich hatte ihr jetzt meinen Rücken zugedreht, und als sie ihre Hände auf meine Schultern legte, spürte ich, wie ich ein ganzes Stück größer wurde.
    Doch als mich die wütenden Blicke meiner Großmutter trafen, glaubte ich, auf die Größe eines Flohs zusammenzuschrumpfen.
    „Kannst du meine Anwesenheit nicht wenigstens alle paar Jahre ertragen, alte Vettel?“, fragte Sarafina. Ihre Stimme war nicht länger liebevoll oder weich und warm. Sie war tief, klar … und bedrohlich.
    „Du hast hier nichts zu suchen!“, gab meine Großmutter ihr zu verstehen.
    „Doch, das habe ich“, antwortete sie. „Ihr seid meine Familie. Und ob es dir gefällt oder nicht, ich gehöre zu euch.“
    „Du bist kein Teil dieser Familie. Du bist verflucht. Verschwinde!“
    Um uns herum brach Chaos aus, als die Mütter, die von den Geräuschen wach geworden waren, aus ihren Zelten und Wagen rannten, ihre Kinder zu sich holten und schnell in Sicherheit brachten. Sie taten, als wäre der meuchelnde Wolf an unserem Lagerfeuer aufgetaucht, und nicht eine ausgestoßene Tante von seltener Schönheit, die fremdartige Geschenke und unglaubliche Geschichten mitbrachte.
    Auch meine Mutter kam gerannt. Als sie auf mich zueilte, steckte ich die Fledermaus aus Stein in meinen Ärmel. Sie blieb stehen, ehe sie mich erreicht hatte, und sah Sarafina in die Augen. „Bitte“, war alles, was sie sagte.
    Es folgte ein Augenblick der Stille, in der etwas zwischen den beiden Frauen geschah. Eine Nachricht, unausgesprochen, trieb meiner Mutter Tränen in die traurigen Augen.
    Sarafina beugte sich hinab und presste ihre kühlen Lippen auf meine Wange. „Wir treffen uns wieder, Dante. Zweifle nie daran. Aber für jetzt, geh. Geh zu deiner Mama.“ Sie gab mir einen sanften Stoß und nahm ihre Hände von meinen Schultern.
    Während ich auf meine Mutter zuging, hasste ich sie fast, weil ich die geheimnisvolle Sarafina verlassen musste, ehe ich von ihren Geheimnissen erfahren konnte. Sie packte mich fest am Arm und rannte so schnell zu unserem Zelt, dass sie mich fast hinter sich her schleifte. Im Inneren schloss sie die Klappe und nahm mein Gesicht in ihre Hände. Sie fiel vor mir auf die Knie. „Hat sie dich angefasst?“, schluchzte sie. „Hat sie dich gezeichnet?“
    „Sarafina würde mir nicht wehtun, Mama. Sie ist meine Tante. Sie ist nett und schön.“
    Doch meine Mutter schien meine Worte nicht zu hören. Sie beugte meinen Kopf zu einer Seite, dann zur anderen, strich meine Haare aus dem Weg und suchte meine Haut ab. Ich hatte schnell genug davon und machte mich los.
    „Du darfst nie wieder in ihre Nähe gehen, verstehst du mich, Dante? Wenn du sie siehst, musst du sofort zu mir kommen. Versprich es!“
    „Aber warum, Mama?“
    Ihre Hand schlug auf meine Wange, so schnell, ich wäre gefallen, hätte sie mich nicht mit der anderen festgehalten. „Stell keine Fragen! Versprich es mir, Dante! Schwör es bei deiner Seele!“
    Ich
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