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Geheimnis um einen Wohnwagen

Geheimnis um einen Wohnwagen

Titel: Geheimnis um einen Wohnwagen
Autoren: Enid Blyton
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auszudenken!

Der Landstreicher

    Am Ostersonntag war herrliches Wetter. Die Kronsteins gingen mit ihren Gästen zur Kirche. Dort konnte Eulalie wenigstens nicht reden. Dafür sang sie so laut, daß es dem neben ihr sitzenden Dicki in den Ohren dröhnte.
    Die Leute sahen sich erstaunt nach der mächtigen Sängerin um und starrten sie an. Dicki fand das ungehörig, aber Eulalie gefiel es offenbar, daß sie Aufsehen erregte. Sie sang unbekümmert und mit der gleichen Lautstärke weiter.
    Nach dem Gottesdienst überlegte Dicki, wie er Eulalie nachmittags los werden könnte. Seine Eltern und Herr Schelle würden gewiß ein Schläfchen machen. Sollte er sagen, daß er arbeiten wolle? Nein, das würde ihm der Vater nicht glauben. Sollte er vorgeben, müde zu sein und sich hinlegen zu wollen? Nein, das ging auch nicht. Die Mutter würde ihm den Kopf fühlen und seine Temperatur messen. Am gescheitesten war es wohl, wenn er in seinen Schuppen ging. Eulalie würde er natürlich nichts davon sagen, sondern sich heimlich fortschleichen. Dann konnte er ungestört ein Buch lesen oder sich ein wenig im Maskieren üben. Das hatte er schon sehr lange nicht getan.
    Nach dem Mittagessen zogen sich die Erwachsenen in ihre Zimmer zurück, und er blieb mit Eulalie allein im Wohnzimmer. Eulalie schrieb einen Brief. Er hockte still wie eine Maus in einer Ecke und hoffte, daß sie es nicht bemerken würde, wenn er leise hinausging. Aber sobald er aufstand, hob sie den Kopf, warf ihre langen Zöpfe zurück und fragte: „Wohin gehst du, Dietrich? Ich bin gleich mit meinem Brief fertig, dann können wir zusammen Spazierengehen oder etwas spielen.”
    „Ich werde deinen Brief zur Post bringen”, sagte Dicki.
    „O danke, das wäre sehr nett”, erwiderte die stets höfliche Eulalie und schrieb eilig weiter. Nach kurzer Zeit faltete sie den Brief zusammen, steckte ihn in einen Umschlag, schrieb die Adresse und klebte eine Briefmarke auf.
    Dicki stand schnell auf und nahm ihr den Brief ab.
    „Danke!” sagte Eulalie. „Während du fort bist, werde ich mir überlegen, was wir unternehmen wollen.”
    Dicki schoß aus dem Haus auf die Straße hinaus und schlug die Gartentür hinter sich zu. Nachdem er den Brief zur Post gebracht hatte, betrat er den Garten durch die hintere Pforte und lief zu seinem Schuppen. Er fand es zwar schändlich, daß er sich wie ein Dieb in seinen eigenen Garten schleichen mußte, aber ihm blieb ja nichts anderes übrig.
    Schnell schloß er den Schuppen auf, schlüpfte hinein und schloß die Tür hinter sich zu. Danach atmete er erleichtert auf. Nun konnte er wenigstens bis zum Tee allein sein, und wenn er nicht zum Tee ins Haus ging, sogar bis zum Abendbrot.
    Frohgemut zog er die Schubladen einer alten Kommode auf und musterte die Kleidungsstücke, die er zu Maskierungszwecken zusammengetragen hatte – alte Hosen und Mäntel, zerrissene Pullover und Wolljacken, die Schürze eines Schlächterjungen, den Anzug eines Telegrafenboten. Sogar ein schmutziger Frauenrock und eine Bluse befanden sich darunter, die er einmal in der Maske einer Zigeunerin getragen hatte.
    Nach einer Weile fiel ihm Eulalie ein, und ihn beschlich ein unbehagliches Gefühl. Sie würde bestimmt nicht lange im Wohnzimmer sitzen bleiben und auf ihn warten, sondern Verdacht schöpfen, daß er entwischt war, und ihn suchen. Und wenn sie Johanna fragte, wo er sein könnte, würde Johanna sagen, daß er wahrscheinlich in seinem Schuppen stecke. Es war wohl ratsam, er maskierte sich für den Fall, daß Eulalie hierher kam. Sie durfte den Schuppen nicht betreten. Der Gedanke, daß sie in seinen Sachen herumwühlen könnte, war ihm unerträglich.
    Nach kurzem Überlegen zog er ein Paar alte Flanellhosen an und darüber einen zerschlissenen Regenmantel. Dann setzte er sich eine Perücke auf, klebte sich einen Bart an und malte sich schwarze Augenbrauen und ein paar Runzeln ins Gesicht. Schließlich stülpte er sich noch einen speckigen Hut auf den Kopf und besah sich im Spiegel. Er sah wie ein heruntergekommener Landstreicher aus, dem er selber nicht gern im Dunkeln begegnet wäre. Zur Vervollständigung seiner Maske steckte er sich noch eine Pfeife in den Mund. Auf solche Feinheiten legte er besonders großen Wert. Dann setzte er sich behaglich in einen alten Korbsessel und nahm ein Buch vor.
    Doch bald schweiften seine Gedanken wieder zu Eulalie. Gewiß wartete sie ungeduldig auf ihn und wunderte sich, warum er nicht endlich zurückkam. Nun, vielleicht war
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