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Geheime Tochter

Geheime Tochter

Titel: Geheime Tochter
Autoren: Shilpi Somaya Gowda
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Praxis sieht, ihre Freundinnen, selbst die blöde Kuh in der Spielshow, die ihren Kindern im Publikum zuwinkt.
    Vielleicht will die Natur ihr auf diese Weise etwas sagen. Vielleicht bin ich einfach nicht dafür bestimmt, Mutter zu werden.

3
Nie wieder
    Dahanu, Indien – 1984
Kavita

    Ein anderer Schmerz setzt ein, diesmal noch tiefer in ihr drin, seine stumpfen Ränder zu zackigen Klingen geschärft, Kavita kann zwischen den Schmerzwellen, die dicht aufeinanderfolgen, nicht mehr Atem holen. Ihre Oberschenkel zittern, ihr Rücken pocht, und sie kann die gequälten Schreie nicht mehr unterdrücken. Als der Laut ihre Ohren erreicht, hat er keine Ähnlichkeit mehr mit einer menschlichen Stimme. Dieser Körper ist nicht mehr ihr Körper, er wird von Urimpulsen getrieben, die der Erde gehören, den Bäumen, der Luft. Draußen erhellt ein plötzlicher Blitz den dunklen Himmel, und ein Donnerschlag lässt den Boden unter ihr erbeben. Der Ast in ihrem Mund bricht unter dem Druck ihres verkrampften Kiefers, und sie schmeckt die bittere Würze von rohem grünem Holz darin. Das Letzte, was sie wahrnimmt, ist eine nasse Wärme, die ihren Körper umhüllt.
    Als sie die Augen wieder aufschlägt, spürt Kavita, wie die Hebamme ihr die Beine spreizt und sich dazwischenkniet. » Beti , du hättest mich früher rufen sollen. Ich wäre gekommen. Wie lange liegst du hier schon so allein? Der Kopf des Babys ist schon zu sehen. Es dauert nicht mehr lange. Das zweite Mal ist viel …« Ihre Stimme verliert sich.
    » Daiji , hör zu. Was auch passiert, du darfst nicht zulassen, dass mein Mann dieses Baby wegbringt. Versprich es … versprich es! «, schreit Kavita.
    » Hahnji , ja, ich verspreche es«, sagt die Hebamme. »Aber jetzt, Kind, jetzt musst du pressen.«
    Sie hat recht. Kavita braucht nur einige Male und schon hört sie einen beruhigenden Schrei. Die Hebamme säubert das Baby rasch und wickelt es ein. Kavita stemmt mühsam den Oberkörper hoch, schiebt sich die feuchten Haarsträhnen aus dem Gesicht und nimmt das Kind in die Arme. Sie streichelt dem Baby über das verklebte schwarze Haar und bestaunt die winzigen Finger, die in die Luft greifen. Sie schmiegt den kleinen Körper an sich, atmet tief den Duft ein und legt dann den Babymund an ihre Brust. Sobald das Neugeborene anfängt, in einem schläfrigen Rhythmus zu saugen, wickelt Kavita das Tuch von dem winzigen Körper.
    Niemand hat meine Gebete erhört. Kavita schließt die Augen, und ihr Körper bebt vor lautlosem Weinen. Sie beugt sich vor, ergreift die Hand der Hebamme und flüstert: » Daiji , verrate es niemandem. Geh schnell und hol Rupa her. Niemandem , hörst du?«
    » Hahnji . Ja, mein Kind. Die besten Wünsche dir und deinem Baby. So, jetzt ruh dich bitte aus. Ich hole etwas zu essen.« Die Hebamme tritt hinaus in die Nacht. Sie verharrt einen Moment, krümmt leicht den Rücken, dann hebt sie ihren Eisentopf mit Zubehör vom Boden auf und geht.
    Als das erste Morgenlicht in die Hütte dringt, wird Kavita wach und spürt den pochenden Schmerz in der Beckengegend. Sie dreht sich auf die Seite, und ihr Blick fällt auf das Neugeborene, das friedlich neben ihr schläft. Ihr Magen rumort. Sie hat plötzlich Heißhunger. Sie greift nachder Schale Reis neben sich und isst. Gesättigt, aber noch immer erschöpft, legt sie sich hin und lauscht den Geräuschen des Dorfes, das draußen zum Leben erwacht.
    Es dauert nicht lange, bis sich die Tür knarrend öffnet und helles Sonnenlicht hereinströmt. Jasu betritt die Hütte mit leuchtenden Augen. »Wo ist er?« Er winkt lockend mit den Händen. »Wo ist mein kleiner Prinz? Los, los … ich will ihn sehen!« Er kommt mit ausgestreckten Armen auf sie zu.
    Kavita erstarrt. Sie drückt das Baby an die Brust und versucht unbeholfen, sich aufzusetzen. »Sie ist hier. Deine kleine Prinzessin ist hier.« Sie sieht, wie seine Augen sich verdunkeln. Ihre Arme zittern, als sie sie fest um das Baby schlingt, den kleinen Körper schützt.
    » Arre! Wieder ein Mädchen? Was ist bloß los mit dir? Zeig her!«, ruft er.
    »Nein. Das werde ich nicht. Du nimmst sie mir nicht weg.« Sie hört ihre schrille Stimme, spürt die Spannung, die ihre Glieder erfasst. »Es ist mein Baby, unser Baby, und ich lasse nicht zu, dass du sie wegbringst.« Sie sieht Verwirrung in seinen Augen, die in ihrem Gesicht nach einer vernünftigen Erklärung suchen. So trotzig hat sie noch mit niemandem gesprochen, schon gar nicht mit ihrem Mann.
    Er macht ein paar
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