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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz
Autoren: Ake Edwardson
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sagte: »Du, du bist das«, und sagte es mehrere Male und noch einige Worte, und dann war da wieder die brennende Wärme, aber tausendmal stärker, und danach spürte sie nichts mehr.
     
    Jonathan Wide tapezierte. Die Zweizimmerwohnung war immer enger geworden, bis er keine andere Wahl mehr hatte: entweder umziehen oder neu tapezieren. Neu streichen. Hier wohnte er jetzt seit anderthalb Jahren. Das erste halbe Jahr hatte er in einer Art Betäubung verbracht. Jetzt erwachte er jeden Monat etwas mehr. Was hatte er auch für eine Wahl? Er konnte sich etwas schaffen, das einem Heim ähneln würde. Das letzte Mal hatte er tapeziert, nachdem Elisabeth verkündet hatte, sie wolle sich scheiden lassen, unwiderruflich. Dass er noch einmal so stehen und tapezieren würde, dass er sogar Spaß an der Arbeit haben würde, überraschte ihn selbst.
    Aber da gab es noch eine zweite Notwendigkeit: Bis jetzt hatte er keine Kraft gehabt, eins der beiden Zimmer für Elsa herzurichten; doch eine Elf-, bald Zwölfjährige braucht etwas Eigenes, auch in einer vorübergehenden Bleibe. Er wünschte sich spontanere Besuche. Wide wollte seine Tochter und seinen Sohn so häufig wie möglich bei sich haben, nicht nur jedes zweite Wochenende. Elsa und den sechsjährigen Jon, der bei ihm schlief, wenn er hier war.
    Elisabeth hatte am frühen Vormittag angerufen.
    »Jetzt scheint es ja nicht mal mehr am Wochenende zu klappen.«
    »Ich verstehe nicht, was du meinst.«
    »Du bist dauernd wegen eines Auftrags unterwegs – oder wie du das nennst. Und noch etwas. Jon hat bei seiner Rückkehr erzählt, dass ihr vier Stunden lang vor einem Haus in Tolered in deinem Auto gesessen habt.«
    »Das hat ihm nicht geschadet.«
    »Was habt ihr dort gemacht?«
    »Wir haben die meiste Zeit ›Schiffe versenken‹ gespielt.«
    »Versuch dich jetzt nicht rauszureden.«
    Wide überlegte, ob er nach der Whiskyflasche greifen sollte, die auf der Spüle stand. Dieses Gespräch ging über seine Kraft. Sie hatte schließlich Recht.
    »Du weißt es ja, warum fragst du dann?«
    »Geh wieder zur Polizei, Jonathan.«
    »Ha, ha.«
    »Tu’s.«
    »Ich will nicht darüber reden. Das weißt du genau.«
    »So kannst du nicht weitermachen: den Beruf ausüben und gleichzeitig mit deinen Kindern zusammen sein. Mit der Kamera in der Hand auf jemanden warten, der … seinen Ehepartner betrügt.«
    »Tolered war eine Ausnahme.«
    »Eine von mehreren«, sagte sie.
    »Nein.«
    »Eine von mehreren, hab ich gesagt, verdammt noch mal.«
    »Ist ja schon gut.«
    Er lauschte der Stille, meinte, ihre Gedanken zu hören. Als sie wieder sprach, war ihre Stimme eine Nuance heller, als wollte sie versuchen, so etwas wie Einverständnis zu schaffen.
    »Du musst verstehen, dass es den Kindern nicht gut tut, wenn du abends plötzlich wegfährst, oder mitten in der Nacht. Elsa ist zwar schon recht vernünftig, aber du hältst sie für reifer, als sie wirklich ist.«
    »Die wenigen Male, wo das passiert ist, hat sie gesagt, dass es ihr nichts ausgemacht hat.«
    »Herrgott noch mal, stellst du dich so blöd, oder was?«
    Kein Raum mehr für Nuancen, dachte er und fuhr sich heftig über das Gesicht.
    »He, du fluchst ja!«
    »Übrigens – aus den Novemberferien wird nichts.«
    »Was?!«
    »Ich trau dir nicht, du kannst die Kinder nicht haben.«
    »Bist du verrü… Es sind doch nur drei Tage. Ich werde zu Hause sein, oder wir unternehmen was. Ich hab in der Zeit keinen Auftrag.«
    »Das sagst du jetzt.«
    Wide sah, dass sich an dem Arm, mit dem er das Telefon hielt, rote Striemen in die Haut gegraben hatten. Er strich mit der freien Hand darüber.
    »Okay. Eigentlich wollte ich es dir noch nicht sagen. Aber ich hab über meine Zukunft nachgedacht.«
    »Ah ja?«
    »Ja, wegen der Kinder, aber auch, weil … na, es ist ja kein Geheimnis, dass der Job eines Privatdetektivs nicht leicht ist. Vielleicht ist er interessant, ich weiß es nicht. Möglicherweise bin ich auch nicht dafür geeignet. Es fällt mir schwer, fremdgehende Eheleute auszuspionieren.«
    So lange redete er sonst nicht am Stück.
    »Das ist wahrscheinlich für niemanden ein guter Job.«
    »Ich hab aber ein paar gute Sachen gemacht, trotz allem.«
    »Was zum Beispiel?«
    »Also … einen Skinhead gerettet und in den Schoß der Familie zurückgeführt.«
    »Das ist doch der, den sie wieder auf einer Demonstration geschnappt haben.«
    »Er ist wieder heimgekehrt.«
    Er hörte ein boshaftes Lachen in der Leitung. Er wusste, dass Elisabeth so
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