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Gefuehlschaos inklusive

Gefuehlschaos inklusive

Titel: Gefuehlschaos inklusive
Autoren: Sabine Richling
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Heute wird kein Trübsal geblasen. Du kommst mit! Ich werde dafür sorgen, dass du Ullrich möglichst schnell vergisst.“
    Wahrscheinlich hätte ich doch lieber bei meinen Eltern Unterschlupf suchen sollen. Sandra könnte sich als anstrengend erweisen. Ich rolle mich auf der Couch zusammen und ziehe mir die Decke über den Kopf, in die ich mich zuvor eingemummelt habe.
    „Ich bin heute nicht gerade eine Stimmungskanone“, bemerke ich in Selbstmitleid ertrinkend.
    „Vermutlich erkennst du es jetzt noch nicht. Aber du bist ohne Ullrich besser dran.“
    Sandra greift zum Telefon und verabredet sich mit ein paar Freunden. Sie wollen sich im „Conrad“ treffen, einer Szene-Kneipe in Berlin, die am Wochenende immer gut besucht ist. Als sie die Wohnung verlässt, überfällt mich eine bedrückende Einsamkeit. Vielleicht hätte ich sie doch begleiten sollen. Ein wenig Ablenkung wäre gut für mich, denn ich kann an nichts anderes denken als an Ullrich. Das ist schlimmer als Folter. Die wäre mir nämlich unter den gegebenen Umständen lieber. Ich greife zur Fernbedienung und schalte ein paar Mal hintereinander alle Fernsehprogramme durch. So ist es mir natürlich kaum möglich zu erfassen, was da gerade ausgestrahlt wird. Trotzdem bin ich mir danach absolut sicher, dass es mal wieder rein gar nichts im Fernsehen gibt. Ich erhebe mich vom Sofa und laufe im Zimmer auf und ab. Diese quälenden Gedanken an Ullrich lassen mich einfach nicht los.
    Ich erwäge, ihn anzurufen, verwerfe diesen Gedanken im selben Augenblick aber wieder. Schließlich soll er nicht denken, dass ich ihm hinterherlaufe. Obwohl ich zugeben muss, dass ich beinahe bereit wäre, meinen Stolz über Bord zu werfen. Aber nur beinahe. Also nehme ich mir von nun an fest vor, nicht mehr an ihn zu denken. In der Küche schenke ich mir ein Glas Wein ein und kehre mit einem Buch zurück. Die ersten Seiten lese ich immer nur den Namen „Ullrich“. Die nächsten Seiten lese ich schon das Wort „Trennung“. Bis ich auf Seite fünfzig (oder ist es Seite sechzig?) wieder bei Ullrich anfange. Ich muss raus hier, sonst werde ich noch verrückt. Entschlossen klappe ich das Buch wieder zu, ziehe mir eine Jacke über und mache mich auf den Weg ins „Conrad“.
    Sandra umarmt mich hocherfreut und drückt mich mit einer Intensität an ihre Brust, als hätten wir uns seit Wochen nicht gesehen. Natürlich hat sie bereits zwei junge Männer an der Angel, dessen dümmliche Blicke mir jetzt schon gehörig auf die Nerven fallen.
    „Oh Sandra, bitte verschone mich. Mir ist nicht danach, mich mit zwei Volltrotteln zu unterhalten.“
    Leider reagiert Sandra nicht auf meinen Einwand und begibt sich zu ihnen an die Bar. Ihr Lachen dringt zu mir durch. Sie gibt mir aufgeregte Zeichen und wedelt fieberhaft mit ihren Händen herum. Entnervt mache ich mich auf den Weg zu ihnen. Doch dann fällt mir plötzlich ein, dass ich meine Handtasche im Auto liegen gelassen habe. Erschrocken drehe ich mich etwas zu stürmisch herum. Ein junger Mann, der sich gerade mit einem Getränk in der Hand von einem der Barhocker erhebt, stößt mit mir zusammen. Dabei ergießt sich der kostbare Inhalt seines Glases über sein Oberhemd. Der Fleck ergibt ein durchaus freundliches Muster auf seinem sonst so farblosen Hemd. Unglücklicherweise verliere ich auch noch die Balance. Um nicht nach hinten zu kippen, halte ich mich an seinem Arm fest und mache einen Schritt nach vorn. Mit meinem Absatz bohre ich mich tief in seinen Schuh und vernehme im gleichen Augenblick einen im Hals stecken gebliebenen Aufschrei. Auch er verliert nun seinen Halt und greift nach dem Barhocker, denn mein gesamtes Gewicht drückt gegen ihn. Doch der Barhocker kann uns nicht halten und wir fallen mit ihm gemeinsam zu Boden. Ich liege verstört auf einem Mann, dessen Hemd mit teurem Whiskey benetzt ist und der in seiner linken Hand immer noch das leere Glas hält. Erstaunlich. Einige Sekunden bin ich wie betäubt und bewege mich keinen Millimeter. Meine Ohren beginnen zu glühen und mein Gesicht nimmt die Farbe einer reifen Rispentomate an. Mal wieder hoffe ich, zu Stein zu erstarren. Unsere Nasen berühren sich und ich vernehme den angenehmen Duft seines Rasierwassers. Seine Augen leuchten so blau wie ein Martinshorn. Eventuell reißt er sie aber auch nur so weit auf, weil mein Gewicht ziemlich einseitig auf ihm lastet. Da bin ich mir jetzt nicht ganz sicher. Plötzlich bewegen sich seine Lippen und er spricht zu mir: „Magst du
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