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Gefangen in der Wildnis

Gefangen in der Wildnis

Titel: Gefangen in der Wildnis
Autoren: Sandra Brown
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„Leuchten Sie mir in die Augen und beschreiben Sie genau, was passiert."
    Sie schaltete die Taschenlampe ein. Das Schutzglas war zerbrochen, aber die Lampe funktionierte noch. Sie leuchtete erst in sein rechtes, dann in sein linkes Auge. „Die Pupillen verengen sich."
    Er nahm ihr die Lampe aus der Hand und schaltete sie aus. „Gut. Also keine Gehirnerschütterung. Nur hundsmiserable Kopfschmerzen. Sind Sie in Ordnung?"
    „Ich denke schon."
    Er musterte sie skeptisch, nickte dann aber.
    „Ich heiße Rusty Carlson", stellte sie sich höflich vor.
    Sein knappes Lachen klang wie ein trockenes Bellen. „Rusty also, was?"
    „Ja, Rusty", bestätigte sie pikiert.
    „Das passt."
    Die Manieren dieses Mannes waren unmöglich. „Haben Sie auch einen Namen?"
    „O ja, den habe ich. Cooper Landry. Aber das hier ist keine nette kleine Gartenparty, also verzeihen Sie mir, wenn ich mir nicht an den Hut tippe und sage: 'Erfreut, Sie kennen zu lernen'."
    Dafür, dass sie die beiden einzigen Überlebenden eines Flugzeugabsturzes in der Wildnis waren, fing es nicht gerade gut an. Alles, was Rusty jetzt wollte, war Trost und die Versicherung, dass sie lebte und weiterleben würde. Doch was sie von ihm bekam, war nichts als Verachtung, noch dazu völlig grundlos.
    „Was ist eigentlich los mit Ihnen?" fragte sie ihn verärgert. „Sie tun gerade so, als wäre ich schuld an dem Absturz."
    „Vielleicht sind Sie das auch."
    Sie schnappte fassungslos nach Luft. „Wie bitte? Ich bin ja wohl kaum verantwortlich für das Unwetter."
    „Nein, aber wenn Sie sich nicht so viel Zeit für den gefühlvollen, tränenreichen Abschied von Ihrem Sugardaddy gelassen hätten, hätten wir dem Sturm vielleicht ein Schnippchen schlagen können. Wieso wollten Sie früher als er fliegen? Haben die Turteltäubchen sich vielleicht gestritten?"
    „Das geht Sie einen Dreck an", presste sie zwischen den Zähnen hervor, die von einem exzellenten und teuren Zahnchirurgen in eine perfekte Reihe gebracht worden waren.
    Seine Miene blieb ungerührt. „Sie hatten an einem Ort wie diesem nichts zu suchen." Sein Blick glitt über sie. „Eine Frau wie Sie."
    „Und was für eine Art Frau bin ich?"
    „Lassen wir das. Sagen wir einfach, ohne Sie wäre ich wesentlich besser dran."
    Damit zog er ein gefährlich aussehendes Jagdmesser aus einem Lederschaft an seinem Gürtel. Rusty fragte sich, ob er ihr damit jetzt die Kehle durchschneiden wollte, um sich des lästigen Anhängsels, das sie offensichtlich für ihn darstellte, zu entledigen. Doch er drehte sich nur um und hieb auf die Äste des Baumes ein, um den Weg in den Flugzeugrumpf freizuschlagen.
    „Was machen Sie jetzt?"
    „Ich muss die anderen da rausholen."
    „Die ... anderen? Warum?"
    „Es sei denn, Sie legen Wert auf deren Gesellschaft."
    „Wollen Sie sie begraben?"
    „Das war die Idee. Haben Sie vielleicht eine bessere?"
    Nein, natürlich nicht, und deshalb schwieg sie.
    Cooper Landry hackte die dünneren Aste ab, bis nur noch die dicken übrig blieben, um die man drum herum gehen oder bequem drübersteigen konnte. Rusty machte sich nützlich, indem sie die abgeschlagenen Äste beiseite schaffte.
    „Wir bleiben also hier?" fragte sie.
    „Für den Moment, ja." Er ging durch den Tunnel in den Rumpf und rief sie zu sich. „Sie nehmen ihn bei den Füßen, okay?"
    Sie starrte regungslos auf die Stiefel des toten Mannes. Das konnte sie nicht tun. In ihrem ganzen Leben hatte nichts sie darauf vorbereitet. Er konnte doch nicht von ihr erwarten, dass sie so etwas Makaberes tun würde.
    Aber ein Blick in seine unnachgiebigen grauen Augen sagte ihr, dass er genau das von ihr erwartete, noch dazu ohne irgendeinen Kommentar.
    Sie bargen die Leichen aus dem Flugzeug. Cooper übernahm den Großteil der Arbeit allein, Rusty half ihm, wenn er es verlangte. Sie konnte diese gruselige Aufgabe nur ausführen, indem sie ihren Verstand völlig ausschaltete. Ihre Mutter war gestorben, da war sie noch ein Teenager gewesen, vor zwei Jahren dann ihr Bruder. Aber in beiden Fällen hatte sie die Toten nur gesehen, als sie in einem mit Satin ausgekleideten Sarg gelegen hatten, mit sanfter Beleuchtung, ruhigen Orgelklängen und Blumen. Der Tod schien ihr irgendwie unwirklich. Selbst die leblosen Körper hatten eher wie Schaufensterpuppen gewirkt, Kopien der Menschen, die sie geliebt hatte.
    Diese Körper hier dagegen waren real.
    Ohne nachzudenken folgte sie den knappen Kommandos, die Cooper Landry gab, nüchtern, sachlich,
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